Von   18. September 2016

alpwirtschaft-viehscheid-kleinwalsertal-1 Alpabtrieb – wenn der Sommer langsam zu Ende geht

Wenn große Viehherden den Straßenverkehr zeitweise lahmlegen und wunderbar geschmückt dampfend und schnaubend unter ohrenbetäubendem Schellen riesiger Glocken begleitet vom fröhlichen Juchzen einiger Männer und Frauen durch das Tal in Richtung Riezlern ziehen, dann ist das ein sicheres Zeichen, dass langsam aber sicher der Bergsommer zu Ende geht. Es ist die Zeit des Alpabtriebs. Auch dieses Jahr wieder – wie immer am 19. September – verlassen Hirten und Vieh die Alpen.

Auch im Kleinwalsertal ist die Alpwirtschaft trotz aller in der Natur begründeten widrigen Umstände eine wichtige Grundlage für die hochwertigen heimischen Produkte wie Bergkäse, Heumilch oder Rindfleisch.img_4682 Die Alpwirtschaft ist auch heute noch eine wichtige und gleichsam uralte Form der Viehwirtschaft und gleichzeitig Landschaftspflege, die ausschließlich dem Rhythmus der Natur ausgesetzt ist. Durch die Alpwirtschaft können auch die Höhenlagen als Weideflächen genutzt und somit bewirtschaftet werden. Die in zunehmender Höhe wachsenden Bergkräuter sind nicht nur enorm nahrhaft, sondern sorgen auch für eine besonders hohe Qualität von Fleisch und Milch. Die Rinder halten die Alpen waldfrei und sorgen zudem durch ihr Gewicht und die Klauen für eine Verdichtung des Bodens sowie für eine Terrassenbildung, was wiederum das Risiko für Abgänge von Muren und Geröll-Lawinen verringert. Durch die Bergkräuter bekommt nicht nur die Milch eine besondere Qualität. Die Rinder, die zur Fleischerzeugung dienen, wachsen kräftig und werden durch ständiges Auf- und Absteigen besonders muskulös.

Bestimmt denkt jetzt so mancher an das typische Bild der Kühe, die im Sommer bis in hohe Lagen auf den saftigen Bergwiesen grasen. Ohne großes „Timg_4671amtam“ beginnen sie meist Anfang bis Mitte Juni mit ihrem „Sommerurlaub“ auf der Alp, der etwa 100 Tage dauert. Während auf den Sennalpen Milchkühe für die Milch sorgen, die frisch zu Butter und Käse verarbeitet wird, sind die höher gelegenen Galtalpen dem Jungvieh vorbehalten, wo es kräftig wachsen kann. Es ist die Zeit, wo der Bergwanderer oft vom harmonischen Klang der Glocken begleitet wird, wo unser Auge über die Hänge schweift und die Tiere oft erst in großer Höhe ausmacht.

Wenn dann im September die Weidezeit zu Ende geht und in dieser Zeit kein Unfall (z.B. durch Absturz, Blitz- oder Steinschlag) passiert ist, was von den fleißigen Hirten und den wackeren Heiligen St. Wendelin und St. Leonhard mit vereinten Kräften vermieden wurde, dann kommt der große Tag des Viehscheids. Der traditionelle Alpabtrieb beschließt den Alpsommer. Gefolgt von seiner Herde verlässt der Alphirt mit seinem Kranzrind die Alpe. Dieses Leittier wird im Kleinwalsertal „Maiarind“ genannt und zum Dank für einen erfolgreichen Alpsommer mit einem prächtigen Kranz geschmückt, der mit viel Liebe und Phantasie mit Zweigen, Gräsern und Blumen (oft die wunderschönen Silberdisteln) gebunden wurde. Alle Tiere werden herausgeputzt und bekommen die großen Schellen („Chlepfa“) angelegt.

So herausgeputzt geht es am Scheidtag schon im Morgengrauen in einem anstrengenden und teils auch risikoreichen Marsch ualpwirtschaft-viehscheid-kleinwalsertal-2nüberhörbar dem Tal entgegen. Am Scheidplatz angekommen scheidet der Hirte das Vieh, d.h. er trennt es und übergibt es wieder an seine eigentlichen Besitzer, die es gestärkt, gesund und munter wieder in den heimischen Ställen unterbringen können. Und damit kündigt sich nun auch der Herbst an und es dauert oft nur noch wenige Wochen, bis der Winter Einzug hält.

Sie wollen dabei sein, wenn rund 700 Tiere von 5 Alpen am Scheidplatz in Riezlern eintreffen und dieses Spektakel live erleben? Ab ca. 8.30 Uhr werden am Montag, den 19.09.2016, die ersten Herden erwartet. Hier finden Sie alle Ankunftszeiten, bei denen es sich natürlich nur um Richtwerte handelt. Für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt.

Die Viehtriebe und Ankunftszeiten der verschiedenen Alpen:

  • Obere Spitalalpe: ca. 7.15 Uhr ab Baad durch Mittelberg und Hirschegg, Ankunft in Riezlern ca. 8.30 Uhr.
  • Alpe Bärgunt: ca. 8.15 Uhr ab Baad durch Mittelberg und Hirschegg, Ankunft in Riezlern ca. 9.30 Uhr.
  • Alpe Innerduura/Stierhof: ca. 9.45 Uhr ab Baad durch Mittelberg und Hirschegg, Ankunft in Riezlern ca. 11.00 Uhr.
  • Zwerenalpe & Außerkuhgehren: ca. 11.15 Uhr ab Zwerenalpe über Kanzelwand-Talabfahrt, Ankunft in Riezlern ca. 12.00 Uhr.
  • Alpe Galtöde & Schwarzwasser: ca. 11.45 Uhr auf der Schwarzwassertalstraße, Ankunft in Riezlern ca. 13.30 Uhr.

Während der Viehtriebe kommt es zu Verkehrsbehinderungen auf der Walser- und Schwarzwassertalstraße.

 

(Quelle: München TV)

Kleines Viehscheid-Lexikon:

Alpe

Bergweiden inklusive der entsprechenden Unterkünfte für Hirten und Vieh (Alphütte mit Ställen). Ist nur während der Sommermonate bewirtschaftet. Im bajuwarischen Sprachtum werden die Alpen übrigens auch „Almen“ genannt.

Galtalpe

Alpe, auf der nur Galtvieh gehalten wird.

Galtvieh

Vieh, das noch keine Milch gibt.

Kranzrind

Festlich geschmücktes Rind, das die Herde beim Alpabtrieb anführt, wenn während des Sommers keine Viehverluste zu beklagen waren.

Kuh

Weibliches Rind, das mindestens einmal gekalbt hat und somit Milch produziert.

Kuhalpe

Alpe, auf der Kühe gehalten werden, deren Milch zur Verarbeitung ins Tal gebracht wird.

Mischalpe

Alpe, auf der neben Kühen und Jungvieh zum Teil auch Tiere anderer Art (Ziegen, Schafe, Pferde u.a.) gehalten werden.

Scheidplatz

Meist außerhalb des Ortes gelegener Platz, auf dem die Herden nach dem Alpabtrieb wieder auseinandergeschieden und an ihre Besitzer zurückgegeben werden.

Schellen

Große, aus Schwarzblech gefertigte Kuhglocken, die speziell für den Viehscheid angelegt werden.

Sennalpe

Alpe, auf der Kühe gehalten werden, deren Milch noch vor Ort verarbeitet wird (Käse etc.)

Viehscheid

Rückgabe der einzelnen Tiere aus den Herden, die den Sommer auf der Alpe verbrachten, an ihre Besitzer. Findet auf dem so genannten Scheidplatz statt.