Mit Schneeschuhen auf die Schwarzwasserhütte – Wie Moses, der durch‘s Wasser ging
Zunächst Wissenswertes:
Schneeschuhe sind ein Hilfsmittel zur Fortbewegung bei Schneelage, die von alters her in vielen schneereichen Gegenden üblich waren. Sie verteilen das Gewicht der Person, die sie trägt, über eine größere Fläche, so dass die Füße weniger im Schnee versinken. Schneeschuhwandern ist heute zu einer beliebten Wintersportart als Alternative zum Tourenskilauf geworden. Ursprung und Alter der Schneeschuhe sind unbekannt. Sicher ist, dass Menschen in Schneegebieten schon vor sehr langer Zeit Schneeschuhe gebrauchten. Fast jeder indigene Stamm Amerikas erfand eine eigene Art von Schneeschuh, die einfachsten und primitivsten wurden im hohen Norden erfunden. Die Inuit haben zwei verschiedene Arten und die längsten Schneeschuhe finden sich beim Indianervolk der Cree.
Heutzutage wird der Schneeschuh eher als Sportgerät angesehen. Seit Mitte der 1990er ist das Laufen und Wandern mit Schneeschuhen eine beliebte Trendsportart geworden. Es bietet sich in erster Linie für Menschen an, die nicht Ski fahren wollen oder können und denen es auf schnelle Abfahrten nicht ankommt. Die meisten Alpengipfel, die im Winter mit Skiern bestiegen werden können, lassen sich ebenso gut mit Schneeschuhen erreichen.
Vorteile des Schneeschuhlaufens
- Schneeschuhlaufen kann von der Freizeit-Sportart bis zum Hochleistungssport betrieben werden – abhängig von Laufgeschwindigkeit und Gelände;
- Die Technik des Schneeschuhlaufens erfordert fast keine Vorkenntnisse;
- Schneeschuhlaufen ist eine Ergänzung zum Skilanglauf, da es ebenso eine Ausdauersportart ist und sich auch für steileres Gelände eignet, in dem es keine Loipen gibt.
- Schneeschuhlaufen kann bei jeder Schneedicke und Schneeart betrieben werden; von Pulverschnee bis zu verharschtem Schnee können viele Arten von Schnee begangen werden. Damit ist man weniger abhängig von den äußeren Bedingungen, und die Wintersportgebiete können auf den beim Alpin-Skisport nötigen Aufwand zur Präparation von Pisten verzichten.
- Schneeschuhlaufen ist eine Ergänzung zu anderen Wintersportarten und bedarf nur einer geringen Investition, da das restliche Zubehör wie Teleskopstöcke, Wanderschuhe usw. oft schon vorhanden ist.
(aus Wikipedia)
Eigentlich war für diesen Donnerstag eine geführte Schneeschuhtour durch die Schneedünen des Gottesackerplateaus geplant. Dieses zeigt sich allerdings am Morgen tief wolkenverhangen, zudem schneit es kräftig. Ich fahre trotzdem zum Startpunkt an der Auenhütte und treffe dort Bergführer Helmut wieder, mit dem ich schon oft unterwegs war. Er setzt die Wandergruppe, die sich gerade zusammenfindet, aufgrund des herrschenden Wetters von einer Routenänderung in Kenntnis. Nicht das Gottesackerplateau wird unser Ziel werden, nein – es geht auf die Schwarzwasserhütte. Helmut, der die Tour mit seinem Hund Paul führt, verspricht uns ein Erlebnis der besonderen Art. Schwarzwasserhütte im Winter? Prima – das wird eine Premiere. Ich bin freudig überrascht und sehr gespannt.
Unsere kleine Gruppe besteht aus 8 Schneeabenteuerlustigen, Helmut – und Paul. Wir alle sind mit Schneeschuhen, Stöcken und LVS-Gerät ausgerüstet. Das LVS-Gerät (Lawinenverschüttetensuchgerät) wird bei jeder Wintertour von der Bergschule zur Verfügung gestellt und gehört nicht nur zur Pflichtausrüstung, sondern dient auch der eigenen Sicherheit. Helmut, den ich bereits von zahlreichen Sommertouren kenne, verspricht uns besonders bei dem anhaltenden Schneefall wunderschöne, märchenhafte Winterlandschaften, tief verschneite Canyons und einen magischen vereisten Wasserfall. Und plötzlich ist sie da, die Skepsis mit der nun angehenden alpinen Ouvertüre. Eigentlich ist Schneeschuhwandern ganz einfach. Wer wandern kann, kann auch schneeschuhwandern. In unserem Fall aber gehört eine gewisse Fitness und sportliche Grundkondition dazu.
Bis zur Alpe Melköde, die jetzt einsam und verlassen liegt, ist es ein kaum anstrengender Weg, der noch von jedem zu bewältigen ist. Doch gleich hinter der Alpe beginnt die Herausforderung. Auf der „Helmut-Eberle-Route“, die er selbst vor 17 Jahren entwickelt hat, steigen wir ein in einen besonderen Aufstieg, den man nicht mehr allein und ungeführt angehen sollte. Inmitten des Wasserfalles bewältigen wir Felsen, Schnee- und Eisbrücken und Kamine und streben stetig nach oben. Nur kurz geht der Atem schneller, bald geht er in gleichmäßiges Schnaufen über. Nur ab und zu hört man das Gurgeln des Wassers unter dem Eis und plötzlich komme ich mir vor wie Moses, der durch das Wasser ging. Ich steige einen im Sommer heftig rauschenden Wasserfall völlig trocken hinauf. Helmut wird seinem Motto „abseits der üblichen Pfade, auf der Suche nach Stille“ mit jedem Meter mehr gerecht – und beschert uns ein für uns einsames und sehr intensives Bergerleben.
Wege entstehen dadurch, dass man sie geht, sagte einst Franz Kafka. Auf dem Weg, den wir uns selbst gesucht haben, ist der Wasserfall bald bezwungen und wir bewegen uns im Canyon des Schwarzwasserbaches weiter aufwärts unserem Ziel entgegen. Wir ziehen erste Spuren im unberührten Schnee und alles, was wir zu tun haben, ist, die Landschaft mehr und mehr intensiv zu genießen. Erst nach etwas über zwei Stunden Aufstiegsfreude tauchen wir aus der puren Natur, die uns ständig umgibt, wieder auf und steigen die letzten paar Meter über den regulären und gut präparierten Winterwanderweg der Schwarzwasserhütte entgegen, eine der am schönsten gelegenen Hütten im Kleinwalsertal auf 1.620 m Höhe, die sich im Besitz der DAV-Sektion Schwaben befindet. Jetzt lockt die Belohnung: Gutbürgerliche Küche und deftige Brotzeiten tragen zur Regeneration bei und geben wieder neue Kraft für den bald bevorstehenden Rückweg. Auch Paulchen darf sich ausruhen und macht ein kleines Nickerchen.
Am Haushang der Schwarzwasserhütte beginnt nach der etwa einstündigen Pause unser Abstieg im Tiefschnee mit einer kleinen Einweisung, die für Nichtskifahrer wie mich zunächst etwas unglaublich klingt. „Jeder suche sich eine eigene Spur, gehe frontal nach unten und bewege sich im Telemarkstil.“ Telemarkstil – wie bitte was?? Kurz zugeschaut und dann nachgemacht – klasse, das macht Spaß. Auch wenn es den einen oder anderen kurzen Direktkontakt mit dem Schnee gibt, kommen wir alle heil unten an – mit einer Riesengaudi im Gepäck. Für Telemark braucht es also nicht unbedingt Skier unter den Füßen, das geht gut und sicher auch mit den breiten Schneeschuhen. Und ja: Das Leben ist zu kurz für eine feste Bindung … 😉 Diesen Telemarker-Leitspruch unterschreibe ich auch.
Es schließt sich der Abstieg oberhalb und durch die Schwarzwasserbachschlucht an, bis uns Helmut noch vor eine kleine Herausforderung stellt. Die Mutigen unter uns schließen sich ihm an, für sie geht es durch einen schmalen Kamin rutschend in die Tiefe. Freudige Juchzger begleiten diese kleine wilde Rodelpartie. Diejenigen, die nicht rutschen mögen, nehmen den Weg nach unten über die tief verschneiten Hänge der Alpe in der zuvor geübten und inzwischen bewährten Technik.
Unbedingt gehört eine gute Vorbereitung zur Durchführung einer solchen Tour – alpine Gefahren lauern auch hier, die keinesfalls außer Acht gelassen werden dürfen. Ähnlich wie bei Skitouren, abseits der Pisten und Loipen, sollten Wanderer immer auf den Naturschutz achten, Waldgebiete meiden, sich an Begehungsverbote halten und in der Lage sein, zu entscheiden, wann eine Tour rechtzeitig abgebrochen werden muss (zum Beispiel bei Lawinengefahr, Erschöpfung, Orientierungsproblemen bei schlechter Sicht oder Zeitverzug). Um Gefahren so weit wie möglich zu minimieren, müssen alle Schneeschuhwanderungen sorgfältig vorbereitet werden. Dazu gehört besonders:
- Informationen über Lawinenstufen und Wetter einholen, danach die Tour ausrichten,
- die Leistungsfähigkeit richtig einschätzen,
- durch genaues Kartenstudium die optimale, d.h. sicherste, Route festlegen,
- den Zeitbedarf für Pausen, Einkehrmöglichkeit und Reserven kalkulieren (im Winter sind die Tage kurz), ein schwierigerer Abstieg dauert dann länger als der Aufstieg,
- Kontrolle der Lawinen- und Notfallausrüstung.
Am besten und sichersten können Sie solch ein Abenteuer mit der Bergschule Kleinwalsertal genießen – im Winter-on-Top-Programm von Kleinwalsertal Tourismus finden Sie zahlreiche spannende Angebote, sicher ist da auch für Sie etwas dabei.
Zum Abschluss unserer Tour, als wir alle wieder an der Alpe Melköde zurück sind und dort noch eine kleine Pause vor dem Schlussakkord einlegen, ist sie wie weggeblasen, die Skepsis mit der alpinen Ouvertüre. Sie ist der Freude gewichen, der Freude über einen aufregenden, anregenden, spannenden und schönen Tag, voller Anspannung, Entspannung und gewaltiger Eindrücke – ein Erlebnis der Extraklasse. Ich danke Helmut von der Bergschule Kleinwalsertal recht herzlich und freue mich schon heute auf das nächste Bergerlebnis.
Und meinen Tag in den Schneedünen des Gottesackerplateaus plane ich für den folgenden Tag bei vorhergesagtem strahlendem Sonnenschein, aber das ist dann wieder eine neue Geschichte.