Mit dem Pistenbully auf DU und DU
Dieser Abend des 27. Februar sollte ein ganz Besonderer werden, denn ich hatte eine Verabredung, auf die ich mich schon monatelang freute. Ich würde auf dem Beifahrersitz eines Pistenbullys Platz nehmen dürfen und dabei sein, wenn die Langlaufloipe Küren-Wäldele-Egg präpariert wird.
Heinz Abler ist der Mann, der mich an diesem Abend mitnimmt und mich in die Geheimnisse der Loipenpräparierung einweiht.
Der 58-jährige Angestellte der Gemeinde, der selbst im Wäldele direkt an der Loipe wohnt, steuert den Pistenbully 100 von Kässbohrer, ein Fahrzeug der neuesten Generation, welches sich momentan in einer Testphase befindet und der Gemeinde leihweise zur Verfügung steht. Er ist der einzige von der Gemeinde angestellte Fahrer, sowohl die Schwendeloipe als auch die Steinbockloipe werden durch private Firmen (M. Liebschick und „Walser Loipenteam“) im Auftrag präpariert.
Das Metier von Heinz Abler ist das Wasser in jeder Form. Im Sommer findet man ihn als Bademeister im Schwimmbad in Riezlern, im Winter zeichnet er verantwortlich für die hier insgesamt 17 km Loipe Wäldele-Küren-Egg und zahlreiche Winterwege sowie die Rodelbahn im Wäldele.
Stolz erklärt mir Heinz Abler zunächst sein Fahrzeug. Leise und kraftvoll zieht der 255 PS starke Motor das rund 200.000 Euro teure Gefährt auf Gummiketten – die deutlich weniger bis gar keine Schäden in den Wiesen hinterlassen – ruhig durch die Landschaft und verbraucht dabei etwa 15 Liter pro Stunde eines Gemisches aus Dieselkraftstoff und AdBlue – einem Gemisch, welches aus reinem Harnstoff und demineralisiertem Wasser besteht und das dafür sorgt, dass bei Dieselmotoren der Ausstoß von Stickoxiden um bis zu 90 % reduziert wird. Damit erfüllt es die Euro-6-Abgasnorm – und wird so dem Umweltschutz gerecht.
Das Cockpit versetzt mich in Staunen. Hier hat längst die Computertechnik Einzug gehalten. Ein Halblenkrad und ein Joystick sind die wichtigsten Werkzeuge, die es zu bedienen gilt. Im Joystick sind alle wichtigen Funktionen integriert, wie das Heben und Senken des vorderen Schiebeschildes oder das Ausrichten der sogenannten „Ohren“, die seitlich am Schild angebracht sind, oder das Heben und Senken des ca. 2,80 m breiten Arbeitsgerätes am Heck der Maschine, mit dem wahlweise einfach nur planiert oder die Spurgeräte jeweils einzeln in den Schnee gesetzt und auch wieder angehoben werden können. Ich finde, es sieht ein wenig aus wie in einem kleinen Raumschiff.
Aber zurück auf die Loipe. Nachdem der Pistenbully betankt ist, nehmen wir uns zunächst die Eggloipe vor. Die Strecke, um die wir beide uns heute gemeinsam kümmern, gehört zu den schwereren – oder auch aktivierenden – Langlaufloipen.
Mühelos präpariert der nagelneue PistenBully 100 die Langlaufloipen und Wanderwege, während wir mit ca. 5 bis 10 km/h (unterschiedlich je nach Fahrzeugmodell – „unserer“ schafft heute Abend rund 10 km/h) leise durch die Landschaft tuckern. Er schafft optimale Bedingungen für den Wintersport.
Heinz erklärt mir, was eine gute Loipe ausmacht und was es braucht, damit diese überhaupt erst einmal entstehen kann. Da sind zunächst mal all die Grundstücksbesitzer, die ihre Zustimmung geben müssen, denn die Strecken führen ausschließlich über Privatbesitz.
Ist man hier übereingekommen, müssen die Loipenfahrer z. B. erst einmal die Weidezäune entfernen, um ein Durchkommen überhaupt zu ermöglichen. Dann braucht es im Frühwinter ordentlich Schnee. „Nur früher Schnee ist guter Schnee.“ – erklärt er mir, als wir über das erste Anlegen der eigentlichen Spur, des sogenannten „Stockes“ sprechen. Es braucht also erst mal eine ordentliche Unterlage, bevor man überhaupt mit der Präparierung beginnen kann. Und dabei ist der Schnee, der zeitig im Winter fällt, der Beste, denn er ist „am längsten haltbar“. Die Schilder zur Beschriftung müssen gestellt werden und irgendwann kann es dann losgehen.
Ist die Loipe erst einmal angelegt, geht es an deren Pflege. Jeden Abend zieht Heinz seine Runden, um den Langläufern am nächsten Tag die perfekte Spur anbieten zu können – und wenn es kräftig schneit, auch morgens wieder oder bei Bedarf noch einmal am Tage zwischendurch. Wichtig sind ihm dabei Abwechslung für den Läufer und das Anlegen einer Runde, die den Skilangläufer nicht nur sportlich fordert, sondern bei der er auch die wundervolle Landschaft genießen kann. Eine glatte Loipe ohne Löcher oder Fußspuren, eine Spur, in der sich der Ski gut führen lässt und Kurven, die für jedes Leistungsniveau zu meistern sind, das sind die Punkte, die Heinz Abler am wichtigsten sind, wenn er „seine Loipe“, wie er sie liebevoll nennt, präpariert.
Da zu seinen Aufgaben aber auch das Präparieren einiger Wanderwege gehört, kommen wir natürlich auch darüber ins Gespräch. Und nun bin ich selbst in meinem Element. Als begeisterter Winterwanderer kenne ich natürlich viele Winterwege im Kleinwalsertal, und ich liebe sie alle. Als ich die Frage stelle, wie ich mich richtig verhalte, wenn sich Loipe und Wanderweg einmal kreuzen, gibt es eine klare Aussage. Einen Schritt so groß wie möglich, nicht in die präparierte Spur treten und niemals in der präparierten Loipe laufen.
Als wir fast fertig sind mit der Eggloipe und uns schon wieder auf dem Rückweg befinden, entdecken wir Spuren – Fußspuren in der eben frisch gezogenen Loipe!!! So etwas ist ärgerlich! Liebe Wanderer, Euch stehen mehr als 50 km präparierte Wanderwege zur Verfügung, bitte überlasst den Läufern ihre Loipen und lauft nicht darin herum. Uns Wanderern steht ein deutlich größeres Angebot zur Verfügung – wir sollten auch die sportliche Liebe der anderen respektieren. Eine zertretene Loipe ist keine gute Loipe mehr, auf der der Läufer wenig Spaß hat. Lassen wir ihnen genauso ihren Spaß wie wir ihn auch haben – ein wenig mehr Rücksichtnahme aufeinander ist doch nicht schwer.
Nach gut 2 Stunden ist die Eggloipe fertig und wir müssen uns nun noch um das Gebiet Wäldele-Küren kümmern. Inzwischen ist es dunkel geworden. Der Wald kommt nun einmal mehr verwunschen daher. Die Tiere des Waldes – in unserem Fall ein Reh und ein Hase – kreuzen unseren Weg und blinzeln in die Scheinwerfer des Bully. Wir lassen sie weiterziehen.
Im Wäldele erklärt mir Heinz nun noch die Besonderheiten dieser Loipe, bei der es erst fast stetig bergauf – und in der zweiten Hälfte nur noch bergab geht. Er weiß, wovon er spricht, die Strecke verläuft genau an seinem Haus entlang – die Hausstrecke sozusagen, auf der er mit seiner Frau auch selbst täglich unterwegs ist, zum einen um nach den Verhältnissen zu schauen, zum anderen um sich selbst etwas Gutes zu tun.
Regen setzt dem Schnee natürlich zu, genauso wie an dem Tag, als ich dabei sein darf, der Föhn und die Kraft der Sonne im Spätwinter. So lange es irgendwie möglich ist, wird die Loipe erhalten. Da wird nach Möglichkeit Schnee herangeschoben, um Löcher auszubessern, die die Sonne gefressen hat oder Pfützen aufzufüllen, in denen das Wasser steht. Wussten Sie zum Beispiel, dass auch ein winzig kleiner Teil der Loipe im Wäldele beschneit wird? Heinz nennt es sein „Problemstück“, da hier eine sehr starke Sonneneinstrahlung herrscht. Hier wird zum Ersatz sogar beschneit. Ich lerne bei der Gelegenheit auch, dass Kunstschnee gar kein so schlechter Schnee ist, wie ich selbst immer dachte.
An diesem Abend des 27. Februar 2017 ist die Arbeit nach 4 ½ Stunden getan. Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass mit ein wenig mehr Rücksichtnahme und Achtung voreinander sicher jeder mehr Spaß an seinem Hobby hat. Deshalb – liebe Wanderer – vermeidet es nach Möglichkeit, in der Loipe herumzulaufen – nutzt dafür die zahlreich vorhandenen Wanderwege – es sind in der Zahl der Kilometer deutlich mehr als den Langläufern zur Verfügung stehen. Und ihr – liebe Langläufer – versucht doch bitte an einer Kreuzung von Wanderweg und eurer Spur, ein wenig Tempo herauszunehmen und den Wanderer passieren zu lassen – sie sind das schwächere Glied in dieser Kette. Und noch eine Bitte haben Heinz und ich: bitte nehmt doch euren Müll wieder mit zurück – was ihr voll hingetragen habt, an dem tragt ihr leer auf dem Rückweg doch viel weniger schwer. Und so haben wir alle was davon: Heinz Freude bei seiner Arbeit – und wir Freude in einer schönen Natur auf gut gepflegten Wegen, dessen Pflege Jahr für Jahr unendlich viel Geld kostet.
Aber irgendwann hält auch der beste Schnee der Frühlingssonne nicht mehr stand. Doch auch dann ist für die Loipenfahrer noch nicht Schluss. Erst müssen entfernte Zäune wieder aufgebaut und Bänke eingesammelt werden und schlussendlich gehört auch das Aufräumen dazu, wenn an Rast- oder Aussichtsplätzen Zigarettenstummel, alte Tempotaschentücher oder anderer Müll, den die leider nicht immer ganz so naturbewussten Sportler manchmal dann auch vergessen, wieder einzusammeln ist. Erst wenn die Strecke wieder in dem Zustand an den Besitzer zurückgegeben werden kann, wie sie übernommen wurde, dann ist die Arbeit für diesen Winter beendet.
Wenn dann schließlich alle Arbeit getan ist, auch die, die wir Nutzer nicht sehen, dann darf der Bully in seine Garage am Sportplatz in der Au und dort seinen Sommerschlaf halten. Dann trifft man Heinz Abler zusammen mit seiner Frau wieder im Schwimmbad an, wo er aufpasst, dass nichts passiert. Und er träumt sicherlich schon vom nächsten Winter und vom frühen Schnee, dem guten Schnee, der die Grundlage für all die ungetrübten Winterfreuden bildet, denn nach dem Winter ist vor dem nächsten Winter.
Was mir an diesem Abend noch bleibt, ist die Erkenntnis, dass unwahrscheinlich viel Zeit, Arbeit und Geld investiert wird, um ein perfektes Wintersportangebot bereit zu halten. Und diese Arbeit wird mit sehr viel Engagement getan. Das was wir Nutzer dabei sehen, ist nur die Spitze des Eisberges – die Spitze eines Eisberges, die die fleißigen Bienchen hinter den Kulissen jeden Abend bis spät in die Nacht vollbringen.
Mein Dank geht an Heinz Abler, der mich an diesem Abend im feuerroten Pistenbully mitgenommen hat. Herzlichen Dank für den spannenden Abend und das sehr interessante Gespräch.
Ein paar Bilder haben wir Euch natürlich auch mitgebracht.
Und in unserem neuen Youtube-Kanal gibt es ein Video zum Beitrag. Viel Spaß dabei.