Bretter, die die Welt bedeuten
Von den Anfängen des alpinen Skilaufs in Vorarlberg bis zum Heute im Kleinwalsertal
Um die Anfänge des alpinen Skilaufs in Vorarlberg zu sehen, müssen wir aufsteigen – aufsteigen auf den Widderstein und auf der anderen Seite hinunterschauen, hinunterschauen ins Ländle. Dort liegt irgendwo in nicht allzu großer Ferne Warth, die Wiege des Skilaufs in Vorarlberg. Hier lebte einst ein Pfarrer namens Johann Müller, der im Winter 1894/95 die Gegend nachhaltig veränderte. Als er Bilder zu sehen bekam, wie sich die Menschen in Norwegen und Schweden im Winter bewegten, dachte er sich: „Das könnte auch hier nützlich sein.“ Er bestellte sich postalisch die Holzbretter aus Schweden und als diese schließlich bei ihm ankamen, begann er heimlich zu üben. Immer, wenn in seinem Heimattal die Lichter aus und die Menschen schlafen gingen, schnallte sich Pfarrer Müller seine Skier an und übte die halbe Nacht. Viel Kontakt hatte er seinerzeit mit dem Schnee und es bedurfte etlicher Übungseinheiten, bis er sich sicher auf den Brettern bewegte. Irgendwann meisterte er auf Skiern den tief verschneiten Weg über die alte Walsersiedlung Bürstegg hinüber nach Lech und bewies so, dass seine „Schwedischen“, wie er sie nannte, ein praktisches Fortbewegungsmittel waren, mit dem man im Schnee weniger einsinkt und bequemer laufen kann. So machte Pfarrer Müller die neue Art der Fortbewegung schlagartig bekannt.
Während am Arlberg bereits um die Jahrhundertwende der rasante Siegeszug des Skifahrens nicht mehr aufzuhalten war und sich erste Skischulen bildeten, waren im Kleinwalsertal die ersten Anfänge etwas später zu verzeichnen. Die ersten Pioniere des Tales hießen Karl Max Keßler und Emil Brutscher, die um 1896 die ersten Skier selbst fertigten: Keßler die Hölzer, Brutscher die Bindung. Die ersten bescheidenen Ausflüge führten in die Umgebung von Riezlern oder in das vordere Schwarzwassertal. Einheimische schlossen sich ihnen an und so entstand bereits 1906 in Riezlern der erste Skiclub. Hirschegg und Mittelberg folgten 1908 mit einem zweiten Verein.
Seit wann genau im Kleinwalsertal die ersten Skikurse abgehalten wurden, ist heute leider nicht mehr genau nachzuvollziehen, vermutlich aber kamen die Mitglieder der beiden Vereine erstmalig in den Genuss, Technik und Bewegungsabläufe lernen zu können.
Die erste Skischule des Tales war die von Karl Winkel vermutlich 1922 inoffiziell gegründete Schule in Mittelberg. Offiziell machte es schließlich Gottlieb Kessler in Riezlern, der nach einem Lehrgang beim Deutschen Skiverband im Dezember 1925 als erster geprüfter Skilehrer ins Tal zurückkehrte und schon eine Woche später in Riezlern seine Skischule eröffnete. Es folgten im Zeitraum ab 1936 die Skischule Hirschegg, Mittelberg-Ahorn-Tobel, Seite-Egg, Außerhirschegg, Wildental, Auenhütte und Baad sowie 1937 die Skischule Westegg. 20 Jahre später machte die Skischule Bödmen das Schulnetz komplett. Im Jahr 1973 einigten sich die Schulleiter der bis dahin 10 Kleinwalsertaler Skischulen auf eine gemeinsame einheitliche Kleidung für alle Walser Skilehrer. Heute erkennt man die Skilehrer gleich an ihren rot-weißen Anzügen. Stellvertretend für die Zunft der Skilehrer sei hier ein echtes Unikat erwähnt: Gotthard Paul, der mit seinen über 70 Lenzen noch immer mit Begeisterung dabei ist, wenn er jungen Menschen die Kunst des Ski- und vor allem Snowboard-Fahrens beibringen darf. Er beweist eines: Es ist keine Frage des Alters ….
Heute gibt es im Tal insgesamt 8 Skischulen, die Kurse vom Anfänger bis zum Aufbaukurs für Fortgeschrittene anbieten. Und auch die Bergschule Kleinwalsertal mischt kräftig mit mit einem attraktiven Winterangebot. Ich selbst muss immer schmunzeln, wenn ich an einem der Übungsplätze vorbei gehe und besonders die Kindergruppen beobachte, wie sie ganz ohne Angst Bewegungsabläufe üben – beneidenswert, mit welcher Leichtigkeit die Kleinen das alles lernen und welche Freude sie daran haben. Ich behaupte mal mit ein wenig Augenzwinkern, dass so manches Walser Kind eher Ski fahren kann als laufen …
Möglichkeiten, das Erlernte dann anzuwenden, gibt es genug. Wir werden uns jetzt gar nicht verlieren im Aufzählen der vielen Möglichkeiten. Spaß ist garantiert, denn die Ausrüstung wird immer besser und sicherer, moderne Aufstiegshilfen sparen Kraft für die Abfahrten. Die Pisten sind immer gut präpariert, es gibt unzählige Varianten für schöne, aber auch rasante Wege ins Tal. Ausprobieren aber müsst ihr das schon selbst.
Und eins ist sicher: Wer einmal im Winter zu Gast im Kleinwalsertal war, der kommt immer wieder. Strahlender Sonnenschein und weiche Strukturen von frischem Pulverschnee liegen oft über dem Tal, nachdem durch die Nordstaulage bedingte ergiebige Schneefälle das „Schneeloch“ mit Schneesicherheit gesegnet haben. So ist der weiße Rausch über dem „Deutschen Arlberg“ garantiert, wie das Kleine Walsertal früher auch gern bezeichnet wurde.
Aber nicht nur Alpinskifahrer und Skitourengeher erfreuen sich täglich an der verzauberten Winterlandschaft, auch Rodler haben ihren Spaß. Immer beliebter werden zudem das Winterwandern auf den ca. 60 km gut präparierten Wegen und das Schneeschuhgehen, wobei es Schritt für Schritt weitergeht, wenn man auf den Winterwanderwegen auf natürliche Grenzen aus Tiefschnee stößt. Dabei genießt man eben etwas langsamer einen Wintermorgen in den Bergen, wenn das Tal vom Neuschnee in einen anderen Zustand versetzt wurde und die Landschaft ringsum unberührt und wie von einem anderen Stern wirkt.
Aber das sind wieder andere Geschichten.