Zu Besuch in der Gebirgsimkerei – eine Betriebsbesichtigung
Endlich Urlaub – endlich wieder einmal Zeit für ein ausgiebiges und gemütliches Frühstück. Ein guter Kaffee, frisch gepresster Orangensaft, Joghurt, frische Semmel. Ach ist das herrlich. Mein Gegenüber rührt sich Honig zum Süßen in den Tee und auf meiner Frühstückssemmel glänzt der Honig goldgelb in der Morgensonne, da kommt mir eine Frage in den Sinn. „Wie kommt der Honig eigentlich ins Glas?“, denke ich laut vor mich hin und sehe in die fragenden Augen der anderen am Tisch.
Diese Frage wollte ich nun beantwortet haben. Es gibt dazu keinen kompetenteren Ansprechpartner als unseren Nachbarn Achim Schneider, einziger Berufsimker im Tal und der Größte „seiner Art“ in ganz Vorarlberg.
Zunächst ein paar interessante Zahlen und Fakten:
Genaue Zahlen zur Anzahl seiner Bienen gibt es nicht, aber ein Bestand von 400 Völkern mit im Winter je 8 – 12 Tsd Tieren pro Stock und im Sommer natürlich deutlich mehr, das macht ihn mit Sicherheit zum größten „Arbeitgeber“ im Tal. Im Sommer brummt und summt es in seiner Bienenoase. Sie sind emsig und fleißig, verschaffen Achim aber auch genug Arbeit, die getan werden muss, bevor ich genüsslich in meine Frühstückssemmel mit dem süßen Gold beißen kann.
Wir treffen uns in der kleinen Produktionsstätte über seinem Laden in der Innerschwende, wo er wie eh und je nach alter Sitte vieles noch von Hand macht. Hier schleudert und lagert er seinen Honig dunkel bei niedriger Temperatur und niedriger Luftfeuchtigkeit und verarbeitet das Wachs. In den 2 Stunden, die wir Gelegenheit hatten, mit Achim zu sprechen, haben wir bei jedem Wort die Begeisterung und die Leidenschaft gespürt, mit der der Imkermeister bei der Sache ist. Er, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat, zunächst die Imkerschule der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Imst besuchte und anschließend 2006 seinen Imkermeister in Graz mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss, weiß wie kein Zweiter über all das Bescheid, was sich rund um das Leben der Bienen und die Honigherstellung dreht. Er brennt für das, was er tut – und er tut es mit Leidenschaft. Dazu kommen ein unwahrscheinlicher Sachverstand und eine große Portion Liebe zur Natur. Er legt sehr viel Wert auf natürliche und naturgemäße Bienenhaltung und arbeitet insbesondere im Einklang mit der Natur.
An diesem sonnigen, aber kalten Februartag, als wir zu Besuch waren, herrschte ungestörte Ruhe im Bienenstock, die länger lebenden Winterbienen (sie werden bis zu 9 Monate alt), sind eigentlich nur damit beschäftigt, den Stock, ihre Königin und sich selbst zu wärmen, zu ernähren und das Volk über den Winter zu bringen. Im Inneren eines Bienenstockes herrschen durch die von den Bienen erzeugten Vibrationen konstant Temperaturen um 20°C, egal was für eine Außentemperatur herrscht.
Sobald aber die Temperaturen frühlingshaft werden, beginnt das Leben im Bienenstock. Achim hält die Rasse der Carnica-Bienen. „Warum ausgerechnet diese?“, fragen wir ihn. „Ganz einfach.“ lautet die Antwort. „Sie sind freundlich und wenig stechwütig. Das ist in einem Tal wie dem unseren, was vom Tourismus lebt, besonders wichtig, denn aggressive Bienen wären hier wirklich fatal. Außerdem kommen sie mit den zum Teil extremen klimatischen Bedingungen hier in den Bergen besonders gut zurecht. Außerdem halten alle meine Imkerkollegen in der Umgebung ebenfalls Carnica-Bienen. Das ist wichtig, damit es nicht zu Kreuzungen mit fremden Rassen kommt, was wiederum die Gefahr von Krankheiten birgt und eine Reihe anderer Probleme mit sich bringen würde.“
Sobald die Natur zu blühen beginnt und es die Temperaturen zulassen, explodiert das Leben im Bienenstock geradezu. Ab 10 – 12 °C Außentemperatur werden die Bienen aktiver. Wenn aber verschiedene Faktoren wie Sonneneinstrahlung und Luftfeuchte günstig miteinander harmonieren, sind sie manchmal schon ab 5 – 6 °C unterwegs.
Die Königin legt bis zu 1500 Eier am Tag, aus denen nach ca. 21 Tagen die Bienen schlüpfen. Das Volk vermehrt sich rasant, für die Nachkommen werden neue Waben gebaut und auch Drohnen werden gezüchtet, die später die Königinnen begatten sollen. Ein gesundes und starkes Bienenvolk vermehrt sich so sehr schnell, denn der Alpsommer ist kurz und die Zeit kostbar. Eine vitale junge Königin bleibt im Stock, ein Teil der Arbeitsbienen zieht mit der alten, nicht mehr so legefähigen Königin aus, der Prozess des „Ausschwärmens“ beginnt. Damit entsteht wiederum ein neues Volk. Die junge Königin, die bis zu 5 Jahre alt werden kann, lässt sich von den Drohnen befruchten und sichert so wiederum das Überleben ihres Volkes. Das Zusammenspiel im Lebenszyklus der Bienen ist so komplex, als wäre es ein einziger Organismus.
Bis auf eine Höhe von 1.800 m in den Bergen bringt Achim seine Völker im Sommer, vor allem in der Zeit der Alpenrosenblüte. Aber auch im Tal finden sie genug Leckeres, woraus sich der köstliche Honig zaubern lässt, sei es beim Klee, sei es beim Löwenzahn, sei es bei den wundervoll bunten Gebirgswiesen, die jeder Wanderer im Sommer gut kennt. Ein Ärgernis ist leider, dass immer früher und immer öfter auch die Gebirgswiesen gemäht werden und somit den Bienen die Lebensgrundlage entzogen wird. Da ist Achim auch bei einem Thema, welches ihm sehr am Herzen liegt: Der Mensch sollte MIT der Natur leben und arbeiten anstatt sich als Herrgott über sie aufzuspielen. Der geflügelte Satz „Die Natur braucht den Menschen nicht, aber der Mensch braucht die Natur“ ist aktueller denn je.
Aber zurück zu den vielen kleinen „Fräulein Schneider“ Honigbienen. Haben sie erst einmal gute Futterquellen entdeckt, kehren sie zu ihrem Stock zurück. Und dann? Sie erzählen es weiter. Ja, sie erzählen es, denn Bienen kommunizieren miteinander. Da gibt es verschiedene Formen wie den Rund- oder den Schwänzeltanz, durch erzeugte Vibrationen erzählen sie den Artgenossen, wo es die besten Pollen und den wertvollsten Nektar zu finden gibt. Und dann schwärmen sie aus. Sie suchen und finden und sie finden wie kleine Navi-Wunder auch immer wieder nach Hause zurück, geleitet von Magnetfeldern mit quasi instinktivem GPS.
Alles, was sie in ihren Stock hineintragen, wird in den Waben schichtweise eingelagert und zur Fütterung der Königin und ihrer Brut verwendet und all das, was sie nicht selbst zum (Über)Leben brauchen, ergibt dann schlussendlich das glänzende Gold für den Belag meiner Frühstückssemmel. Aber bis dahin gibt es für Imkermeister Achim viel zu tun. Er muss den Honig aus den Waben ernten, schleudern und abfüllen. Bevor dieser allerdings in den Verkauf gelangt, werden regelmäßig Proben genommen und analysiert. Fragt man Achim nach der Reinheit seines Honigs, zeigt er stolz auf die Prüfprotokolle an seinen Honigtanks. Ein Wassergehalt unter 18 % spricht für eine sehr gute Qualität des Produkts – und das hat er „schwarz auf weiß“ für jedermann nachlesbar. Viele Faktoren müssen für eine gute Ernte zusammenpassen, auf alle genauer einzugehen, würde den Rahmen dieses Blogs sprengen.
Sobald die Tage nach der Sommersonnenwende kürzer werden, beginnen die Bienen, sich wieder auf den Winter vorzubereiten. Die Königin legt weniger Eier und im Stock bleiben Wabenzellen frei, die die Bienen nun mit Honig als Wintervorrat füllen. Je näher der Herbst rückt, desto ruhiger wird es im Stock. Nun schlüpfen bald Winterbienen, die mehr behaart sind, also quasi ein „Winterfell“ besitzen. Im Bienenstock des Winters lebt dann eine Bienentraube, wobei die äußeren Bienen einen Schutzmantel zur Wärmeerzeugung bilden. Die ganze Traube rotiert in sich, so dass jede Biene mal die Aufgabe des Wärmens übernimmt, während sich die anderen im Inneren am Futter stärken können und Kraft sammeln.
„Was hat es mit dem Rauch auf sich, den viele Imker beim Öffnen der Bienenstöcke versprühen?“ Achim erklärt dazu: „Den Smoker benutze ich nur dann, wenn sie wirklich mal etwas heftiger stechen. Der brandige Rauch macht die Bienen allerdings nicht, wie mancher vermutet, in irgendeiner Form high oder benebelt. Mit dem Smoker suggerieren wir den Bienen einen Waldbrand, was instinktive Handlungen in Gang setzt. Wenn sie nämlich denken, es brennt, rüsten sie sich zur Flucht, nicht ohne sich vorher den Bauch mit Honig vollzuschlagen. Und wie bei uns Menschen ist es auch bei den Bienen: Ein voller Bauch macht träge – und eine träge Biene sticht dann eben weniger schnell.“ Einleuchtend – finden Sie nicht auch?
Was sie aber gar nicht mögen, sind bestimmte Duftstoffe wie Parfüm, Cremes, Rasierwasser oder Alkohol. Wenn Sie also mal etwas zu viel gefeiert haben an einem lauen Sommerabend, wundern Sie sich nicht, wenn Sie summenden Besuch bekommen und der nicht wieder gehen mag. Die Alkoholausdünstungen der Partygäste oder das aufgelegte Parfüm der Dame des Hauses machen die sonst eigentlich sanftmütigen Tiere nämlich wahnsinnig.
Bienen und die Imkerei sind ein sehr komplexes Thema, weshalb wir hier nur auf einige wenige Aspekte eingehen konnten. Wer näher in die Materie eintauchen möchte, dem empfehlen wir die Links am Ende dieses Artikels. Wir dürfen die Bienen und ihren Chef nun das ganze Jahr über begleiten, bei ihrer Arbeit beobachten und werden immer mal wieder darüber berichten. Wir freuen uns sehr über diese Zusammenarbeit.
Liebe Judith, lieber Achim. Wir danken Euch von Herzen für die Zeit, die Ihr Euch an diesem kalten Sonntagvormittag im Februar genommen habt, um uns einen Einblick in die Arbeit und das Leben in der Gebirgsimkerei Achim Schneider zu geben. Wir hätten noch ewig so weiter reden können zu einem sehr spannenden Thema, das unerschöpflich zu sein scheint. Wenn künftig Euer Honig auf der Frühstückssemmel glänzt, werden wir diesen mit ganz viel Verstand genießen, wissen wir doch jetzt, wieviel Arbeit dahintersteckt.
Wir dürfen eines der gesündesten und vor allem naturbelassensten Nahrungsmittel konsumieren, die man sich vorstellen kann. Und – liebe Leser – wussten Sie eigentlich, dass Honig auch eines der am längsten haltbaren Lebensmittel ist? Kristalline Ablagerungen sind ein untrügliches Qualitätsmerkmal – nur guter Honig weißt diese Eigenschaft auf. Uns Konsumenten schieben lediglich die Gesetze der Lebensmittelsicherheit einen Riegel vor, ein empfohlenes Mindesthaltbarkeitsdatum veranlasst uns dazu, viel zu viel einfach viel zu schnell wegzuwerfen.
Und wir versprechen Euch hier und heute eines: Wann immer sich eines Eurer „Fräulein Schneider“ im kommenden und allen weiteren Sommern auf unserer Balkonbrüstung zum Ausruhen niederlässt, werden wir sie mit ein wenig Zuckerwasser verwöhnen, ausruhen lassen und nach Hause schicken, sobald sie wieder Kraft getankt haben.