Von Wiesen, Weiden und allerlei Getier
Einzigartig ist etwas, was dem Wanderer derzeit im Kleinwalsertal besonders auffällt:
Die über und über bunt und äußerst vielfältig blühenden Wiesen. Sie sind wunderschön anzusehen und fallen einem gerade jetzt Ende Mai / Anfang Juni besonders ins Auge. Doch was ist es, was die Gebirgswiesen so einzigartig macht?
Jetzt blühen Trollblumen, Orchideen und vieles mehr. Das Auge erfreut sich an der Farbenvielfalt, am satten frischen Grün der Wiesen und an dem fröhlich-aufgeweckten Bunt all der Pflanzen, die ihren Blütenkopf im leise säuselnden Wind wiegen.
Wenn man sich auf einem Güütschle an solch einem Platz zum Ausruhen niederlässt und einem dann noch ein frisches Lüftchen um die Nase schmeichelt (z.B. am Wassertretbecken am Höhenweg in Riezlern), dann kehrt unmittelbar Ruhe in den Körper ein, es ist Zeit zum Entspannen.
Seit Beginn der Besiedelung im 13. Jahrhundert wird die Naturlandschaft des Tales durch die Landwirtschaft geprägt. Saftige Wiesenkräuter, klare Bergluft und frisches, sauberes Quellwasser bieten perfekte Voraussetzungen.
Den Wiesen kommt dabei eine besondere Funktion zu. Bei einem Spaziergang in den letzten Tagen haben wir das folgende Foto geschossen:
Sie sind Lebensraum und Futterlieferant in Personalunion.
Wir lernen Flora kennen, die Leitkuh der Rasse Braunvieh, neben Fleck- und Tiroler Grauvieh eine im Kleinwalsertal beheimatete Rasse. Sie kennt sich wie keine andere aus. Denn sie weiß genau, wann ihr Bauer sie und ihre Freunde zum Melken im Stall erwartet. Bis dahin genießen sie alle den ganzen Tag die saftigen Alpweiden mit den unzähligen Gräsern und Kräutern, die der Kuhmilch den unverwechselbaren Geschmack geben. Die Jungen dürfen den ganzen Sommer draußen bleiben. Von ca. Mitte Juni bis Mitte September sind sie auf der Alpe, Tag und Nacht im Freien. Und mit jedem Meter höher schmecken Gras und Kräuter würziger. Ja – das merkt dann auch der Mensch, nämlich spätestens dann, wenn er von einer Wanderung erschöpft, hungrig und durstig in einer Alphütte einkehrt und all das auf den Tisch kommt, was der Senner aus der frischen Milch alles zaubert. Aber die Milch wäre nur halb so gut, gäbe es eben nicht diese besonderen Gebirgswiesen mit den würzigen Kräutern, die Futtergrundlage für die Kuhherden. Und glücklich sind die Kühe hier allemal, dürfen sie doch noch wirklich Kuh sein und z. B. ihre Hörner behalten. Außerdem, und da sollten wir ehrlich sein: Jede Kuh trägt hier ihre Glocke um den Hals, sind sie deshalb etwa weniger glücklich? Etwa „lärmgeschädigt“? Ich denke nein.
Emma, die braune Bergziege, ist auch sehr froh, im Kleinwalsertal leben zu dürfen. Sie und ihre Schwestern sind jetzt wieder häufiger hier anzutreffen. Frech und kuschelig kommen sie daher, und ihr helles „Gemecker“ vermischt sich mit dem fröhlichen Klang der kleinen Glöckchen, die sie um den Hals tragen. Genügsam und mit sicherem rücksichtsvollem Tritt weiden sie die steilen Böden exakt ab, ohne dabei Grasnarbe oder Boden zu verletzen. Begehrt ist inzwischen auch ihre Milch, aus der von den Menschen ein hervorragender Käse hergestellt wird, den es z.B. auf der Unteren Wiesalpe zu probieren und auch zu kaufen gibt. Quark, Joghurt, frische Trinkmilch und Molke bereichern die Palette der Erzeugnisse, die aus dem, was aus dem Ziegeneuter kommt, hergestellt wird.
Und wo Ziegen sind, sind meist auch die Schafe nicht weit. Emmas beste Freundin ist das Schafmädchen Klara. Schafe sind wenig anspruchsvoll und fühlen sich in der Herde am wohlsten. Unsere „Schwendianer“ Schafe begleiten uns schon seit vielen Jahren, liefern Wolle für Kleidung und Felle, gesunde Trinkmilch gegen den Durst und zur weiteren Verarbeitung – ganz ähnlich wie bei den Ziegen.
Wo sieht man schon so viele glückliche Tiere auf einmal? Schauen Sie Ihnen doch mal in die Augen, wenn Sie auf Ihrer nächsten Wanderung eine Flora, eine Emma oder eine Klara treffen. Sie werden sehen, dass diese Augen leuchten.
Schlussendlich dürfen wir die vielen kleinen Fräulein Schneiders nicht vergessen. Die haben in diesem Sommer besonders viel zu tun. Sie wohnen bei ihrem Imker Achim in der Schwende in Riezlern, aber ihre Chefin ist die Königin. Bienen sind Vegetarier und ernähren sich am liebsten von süßen Säften. Nektar sammeln ist die Hauptaufgabe der Schneider-Damen im Bienenvolk, denn daraus entsteht der köstliche Honig. Wie das geht, ist aber wieder eine andere Geschichte, über die wir später noch extra erzählen werden. Entscheidend aber ist, in welcher Höhe sie welchen Nektar finden und was sie mit nach Hause bringen. Gebirgsblüten-, Alpenrosen-, Wald- und Blütenhonig sind wohl die bekanntesten Sorten. Eine wie die Andere ist honigsüß und unschlagbar köstlich im Geschmack. Wichtig dafür ist aber, dass die Nahrungsgrundlage der Bienen, die Wiesen, nicht zu bald gemäht werden und all die fleißigen Fräulein Schneiders, Fräulein Müllers, Fräulein Edlingers und wie sie noch alle heißen (es gibt im Tal 8 Imkereibetriebe – davon einen Berufsimker) genug Nektar finden können.
Was noch wichtig ist – und da kann ich mir den kleinen erhobenen Zeigefinger nicht ersparen – ist die unverzichtbare Notwendigkeit, dass die Wiesen sauber gehalten werden. Da seid besonders ihr, liebe Besitzer von fröhlich schwanzwedelnden und am anderen Ende manchmal bellenden Vierbeinern angesprochen. Eine durch Hundekot verschmutzte Wiese kann eine komplette Heuernte verderben und den Tieren schaden– also seid bitte so gut und achtet ein wenig darauf, wo Euer Schatz sein Geschäft verrichtet – und nehmt die kleinen orangefarbenen Tütchen in Anspruch und das Geschäft Eures Lieblings bitte wieder mit. Ein klein wenig gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme ist doch wirklich nicht schwer.
All das, die vielen Floras, Emmas, Klaras, Fräulein Schneiders usw., die Arbeit der Bergbauern und Senner und auch die gelebte Rücksichtnahme von uns allen, trägt zu einer nachhaltigen Landschaftspflege bei, die man hier im Kleinwalsertal wirklich auch schmecken kann. Gesunde und schmackhafte Lebensmittel mit Herkunftsgarantie sind das wertvolle Ergebnis.
Während der Walser Genusstage vom 07. – 10.06.2018 kann man sich davon bestens überzeugen. Wir werden davon berichten.
Und auch darüber, wie es unseren Schneider-Bienen geht, werden wir in den nächsten Tagen noch berichten, denn wir dürfen mitfahren zu den derzeitigen Standorten der Bienen und auch ein wenig bei der Arbeit helfen. Darauf freuen wir uns.