Melköde – Die Entdeckung der Langsamkeit
An diesem Wintermorgen zeigt mir mein Tal, wie Winter richtig geht. Über Nacht ist gut ein halber Meter Neuschnee gefallen und der Himmel schickt noch immer filigrane weiße Flocken vom Himmel.
Ich entscheide mich heute für eine Wanderung in die Melköde.
Schnell sind die Auenhütte und das lebendige Durcheinander an der Ifen-Talstation hinter mir gelassen, plötzlich bin ich wieder ganz allein. Die Bäume tragen schwer am frischen Schnee von oben, und ich bin völlig verzaubert von dem, was ich jetzt erleben darf. Dicke Flocken von oben, ein Weg, der wie durch eine weiße Gasse führt, ich kann nicht anders, als Freunden eine MMS mit einem Foto zu schicken. Die Antwort, die darauf kommt, sagt eigentlich alles: „So geht Winter! Haben wir zu viel versprochen?“ Nein, habt ihr nicht – alles, was ihr erzählt und mir prophezeit habt, wird gerade auf wundersame Weise wahr.
Da ich ein sehr aufmerksamer Beobachter bin, entdecke ich am Wegesrand ein tiefes Loch, was mich anzieht. Der Blick in die Tiefe zeigt Erdreich und ich versuche, mit meinen Stöcken die Schneehöhe zu messen, auf welcher ich mich bewege. Es gelingt mir nicht.
Ich weiß gar nicht, wo ich hin soll mit meinen Gefühlen, der Freude, die ich im Herzen trage. Ich möchte es aus mir raus lassen, was ich gerade erlebe, was ich sehe und empfinde, aber in dieser stillen und verträumten Landschaft genieße auch ich nur noch still, aber umso glücklicher eine Winterlandschaft, die ich kaum in Worte zu fassen vermag.
Felsformationen am Wegesrand, die tief eingeschneit sind, regen die Fantasie an, vor meinem geistigen Auge erscheinen Gebilde, wie ich sie noch nie gesehen habe und ich muss lächeln, weil meine Fantasie so mit mir durch geht. Der Schwarzwasserbachweg hat jetzt ein völlig anderes Gesicht.
Schließlich erlebe ich eine Überraschung. Der gut gewalzte Winterwanderweg nimmt einen anderen Verlauf, als ich ihn kenne. Direkt über die Wiesen der Galtöde – im Sommer unmöglich so zu gehen – führt der Weg der im Winter nicht bewirtschafteten Alpe Melköde entgegen.
Die Flocken, die vom Himmel fallen, werden immer dicker, dennoch mache ich hier unter’m Dachvorsprung eine Pause.
Die Alpe ist bis ans Dach eingeschneit, der Wasserfall in ihrem Rücken nahezu still – und auch ich genieße die Ruhe, die mich hier umgibt. Ab und an kommen nun weitere Wanderer vorbei, die es weiter zieht, hinauf zur Schwarzwasserhütte. Diese Wanderung werde ich mir für ein nächstes Mal aufheben, dann vielleicht mit Schneeschuhen. Das Gefühl, wie ein echter Trapper in den Bergen unterwegs zu sein, das muss das Höchste sein. Schneeschuhlaufen kennt keine Altersgrenze und erfordert keine Vorkenntnisse, wer laufen kann, kann auch Schneeschuhlaufen. Für den nächsten Winter nehme ich mir deshalb vor, das auszuprobieren.
Dieses Vorhaben nehme ich mit, als ich mich auf den Rückweg mache. Mein Gott, was macht dieses Tal mit mir?
Zurück an der Auenhütte entscheide ich mich, weiter zu laufen und über Wäldele und Au der Naturbrücke entgegen zu gehen. Es ist sicher überflüssig zu erwähnen, dass dieser Tag mit mir etwas gemacht hat, was ich niemals für möglich gehalten hätte. Ich, der überzeugte Sommerfan, werde binnen kürzester Zeit zum Winterfreund.