Von   21. Februar 2016

Wilde Wasser mal ganz leise

Eigentlich sind große weiße Flocken vom Himmel nicht so meine Sache. Bedingt durch das alljährliche Winterchaos in meiner Heimatstadt bin ich nicht wirklich ein Fan des Wassers von oben in fester Form. Freunde jedoch sagten mir immer wieder, wie schön das Tal auch im Winter sei und das ich es nicht wieder erkennen würde. Als der Kleinwalsertal-Fan schlechthin müsste ich das auch mal in weißer Pracht gesehen haben. Sicher würde es mir gefallen. Auch ohne diese Intervention meiner Freunde wuchs dieser Wunsch in mir immer mehr und wurde schließlich so mächtig, dass ich mich an eine Winterplanung machte.

Ich fahre nicht Ski, was also tun in einem Skigebiet? Die Antwort fällt nicht schwer: 50 km präparierte Winterwanderwege warten darauf, unter die Füße genommen zu werden – und die Zeit Anfang März, wenn es ein wenig ruhiger im Tal zugeht, war so schnell als „meine“ Kleinwalsertal-Winter-Auszeit gefunden. Und tatsächlich ist das Wintererlebnis im Kleinwalsertal ein völlig anderes als in der Mittelgebirgswelt, die ich kenne und von der ich oft genervt bin – wundervoll entspannend, voller Ruhe, ohne Stress und Hektik. Es sei vorweggenommen, liebe Freunde: Ihr habt nicht zu viel versprochen, ich bin jetzt nicht mehr nur ein Sommerfan, auch der Kleinwalsertaler Winter und ich sind inzwischen Freunde auf Lebenszeit.

Das direkte erste Wintererleben an einem Märztag vor einigen Jahren startet klein: Mit einem Lauf zum Schwarzwasserbach, der jetzt völlig anders wirkt als ich ihn bisher aus dem Sommer kenne. Mich zieht es der Höflebrücke entgegen, als plötzlich das Kind in mir wach wird. Ich schaue mich um: Keiner da, der mich bei meinem Gefühlsausbruch beobachten könnte. Ich lasse mich in den tiefen Pulverschnee fallen und zeichne mit Armen und Beinen einen Engel in den Schnee. Feine Eiskristalle kitzeln mein Gesicht, die Kälte spüre ich nicht. Die zarte Märzsonne wärmt. Ich muss über mich selbst lachen und stehe lieber wieder auf, bevor doch noch jemand vorbei kommt, der mich für verrückt halten könnte.

Plötzlich erinnere ich mich an den letzten Sommer, als die Wiesen gerade frisch gemäht waren. Ich denke an frisches raschelndes Heu und atme den Duft der getrockneten Kräuter, der mir plötzlich in die Nase steigt. Jetzt heißt es hier Grenzen respektieren – die Natur schläft und sollte in ihrem Winterschlaf nicht gestört werden.

An der holzgedeckten Höflebrücke verweile ich wie so oft ein wenig, lehne mich über das Geländer und lasse die Natur auf mich wirken. Eine Landschaft, die ich aus dem Sommer als wild und belebt in Erinnerung habe, liegt mir jetzt sehr still zu Füßen. Glitzernder Schnee deckt Tal und Berge zu, alles funkelt in der Sonne förmlich wie verzaubert, eine Winterlandschaft, die ihresgleichen sucht. Der Winter im Kleinwalsertal ist wie eine gute Fee, die nur Schönes hervor bringt. Das Wasser des Schwarzwasserbaches plätschert nur noch leise vor sich hin. Wiesen, Bäume, Steine, Wege – alles hat weiße Mützen auf. Es wirkt wie ein Märchen. Bizarre Eisgebilde sind von der Brücke aus zu bewundern.

Ich folge dem „schwarzen Wasser“, welches sich in seinem Winterschlaf ausruht, in seinem natürlichen Verlauf, genieße die Stille und die Einsamkeit. Unter meinen Füßen knirscht leise der Schnee, die Sonne wärmt mein Gesicht und legt mir ein unendliches Glücksgefühl ins Herz. Schnell entledige ich mich meines Schals und der Handschuhe, mein Glück macht mir warm um Herz und Seele. An der Fallstufe spiegelt sich die Natur im fast vollständig zur Ruhe gekommenen und an den Rändern leicht angefrorenen Bach. Dort, wo er sich mit der Breitach trifft, steht eine Bank. Auch diese hat eine große weiße Mütze auf, so dass ich mich erst einmal mit Schneeschaufeln beschäftige, bevor ich mich auf ihr niederlasse, weil ich hier noch ein wenig bleiben will.

Was will ich mehr? Mein erster Wintertag im geliebten Kleinwalsertal ist ein traumhaft schöner sonniger Tag, der Schnee glitzert in allen erdenklichen Weißtönen, die reine klare Luft lässt mich gut durchatmen. Mich umgibt die totale Stille, nur die plätschernde Vereinigung von Schwarzwasserbach und Breitach spielt ihre eigene Musik in der einzigartigen Natur, die jetzt zu schlafen scheint. Es ist wie ein Traum. So kann Winter schön sein. Nein, er kann nicht, er ist schön!

Und auch solche Plätze wie z. B. die Naturbrücke im Ortsteil Egg haben ihr eigenes verwunschenes Schneeflockenkleid. Mal kommt alles ganz ruhig und verfroren daher, dann wieder rauscht alles Schmelzwasser tosend zu Tal. Der Breitach von Baad nach Riezlern zu folgen, wenn diese ihr Wintergesicht zeigt, hat schon beinahe etwas von meditativem Wandern. Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Besuch der Breitachklamm im Winter – aber das wird wieder eine neue Geschichte.

Welcher ist Ihr Winter-Lieblings-Entspannungsplatz im Tal? Verraten Sie es uns?

Hier geht’s zur Galerie, die keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, aber einen kleinen Einblick verschafft.