Von   18. Juni 2017

Museum zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Von außen ist fast nichts zu sehen – doch hinter den Mauern in der Walserstraße 54 in Riezlern rumort es kräftig: Das Walser Museum wird umgebaut. Über den Stand der Dinge haben wir uns mit Stefan Heim bei einer kleinen Baustellenführung unterhalten. Der 45-jährige langjährige Ortschronist und Archivar, der in Mittelberg geboren und aufgewachsen ist, kennt sich wie kein Zweiter mit der Geschichte des Tales aus. Wenn man sich mit ihm unterhält, spürt man seine Heimatverbundenheit. Wenn er über „sein“ Museum spricht, funkeln seine Augen und man spürt sofort, wie ihm „sein Baby“ am Herzen liegt.

Es ist ein langer Weg, der gegangen werden muss, bis das Museum wieder das ist, was es sein möchte und es ist ein sehr spannender Umgestaltungsprozess, der Generationen zusammenführt und verbindet. Die Bewohner des Tales bringen sich ein und haben sich Gedanken gemacht. Und die kleine Projektgruppe, die die Umgestaltung begleitet, sammelt diese Gedanken und stellt Fragen.

Bei der Begehung der alten Museumsräume steht an den Wänden zu lesen:

  • Darf ein Museum unbequeme Fragen stellen?
  • Wieviel Heimat braucht der Mensch?
  • Tickt das Kleinwalsertal anders?
  • Was würdest du heute für unsere Nachwelt sammeln und was hat dir am bisherigen Museum gefehlt?

Für manchen mag es nach „Schmiererei“ aussehen, doch diese Fragen stehen ganz bewusst dort – und es haben sich Antworten eingefunden, mal mehr, mal weniger sinnvoll – aber es sind Meinungen, die wertvoll sind – wertvoll für den Findungsprozess in der Frage nach dem „Wo soll es hingehen mit dem Museum?“.

Bisher eher eine statische Ausstellung, soll nun Leben in die Räume einziehen. Doch was heißt es eigentlich, Walser zu sein? Wichtig sind gemeinsame Wurzeln und Traditionen. In seinem Buch zum „Walserweg Vorarlberg“, welches Stefan Heim 2013 im Tyrolia-Verlag veröffentlicht hat, macht sich sein Gastautor Jodok Müller, der in Riezlern lebt und als Journalist in München arbeitet, Gedanken zum Thema „Die Walser Haut“:

„Walser Bewusstsein ist kollektives Gruppenselbstbewusstsein mit starken Einflüssen auf das individuelle Selbstbewusstsein. Viele und ganz unterschiedliche Faktoren beeinflussen dieses Walser Bewusstsein: gemeinsame Wurzeln und Geschichte, Traditionen, Sprache und Dialekt, Kleidung und Trachten, Küche und Keller, Architektur, Walser Heimat und gleicher Lebensraum, Walser Kultur, Walser Kunst, Musik … All das zeichnet das Walser Bewusstsein bzw. die „Walser Haut“ aus.

Die Bewahrung der Walser Geschichte ist … ein ganz besonderes Anliegen. Nicht im Sinne eines konservativen Beharrens, sondern um zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Dazu zählen auch Traditionen. Daraus kann sich ein Wertehorizont entwickeln, der sich im Walser Bewusstsein ausdrückt. Gerade bei der Jugend spürt man in vielen Walser Gemeinden einen wiederentdeckten Stolz darauf, Walser zu sein. Im Kleinwalsertal zum Beispiel drücken viele Jugendliche ihren Stolz auf die Walser Identität mit Aufklebern auf den Autos aus, wie das Logo des Kleinwalsertals oder der Spruch „Walser – mee gaid ned!“. Zunehmend wird auch der Walser Dialekt wieder hochgehalten, nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich: Zeitungsanzeigen im Walser Dialekt, Bezeichnungen für Lokale und Geschäfte, Kleidung mit Aufdrucken im Dialekt. Auch neue Medien werden genutzt: Auf Facebook machte kürzlich ein Walser-Quiz mit Fragen über Berge, Sprache und anderes mehr die Runde. Top-Ergebnis: ‚Du bisch an echta Walser!‘ “ (S. 34 ff.)

Und so ist es eigentlich kein Wunder, dass die Schüler des polytechnischen Lehrgangs vom Schulzentrum in Riezlern mit angepackt haben, als es ans Ausräumen der zahlreichen Vitrinen ging. Ca. 1.700 Objekte sind es geschätzt, die es zu verpacken und zu katalogisieren gilt, damit nach dem Umbau alles wieder seinen richtigen Platz findet, und die Jugendlichen waren mit großer Begeisterung und ebenso großer Umsicht dabei. Zweimal standen auch erwachsene Helfer aus dem Tal bereit. Inzwischen ist einiges schon verpackt, das Erdgeschoss, wo sich seinerzeit das Tourismusbüro befand, ist bereits leer – diese Räumlichkeiten werden künftig auch für das Museum genutzt.

Die Köpfe der kleinen Arbeitsgruppe haben bereits heftig geraucht, wie man all das in Zukunft moderner gestalten kann – wie das Museum nicht mehr das Schattendasein einer Schlechtwetteralternative für die Touristen fristen muss. Es soll wieder Raum bieten für Jedermann, für den Touristen gleichermaßen wie für den Einheimischen. Ideen dazu gibt es viele. Nur eine von vielen ist, der Veranstaltungsreihe „Brüüge“, die durch Stefan Heim und einige Mitstreiter einst ins Leben gerufen wurde und die nun eine Pause macht, hier eine neue Heimat zu geben.

Bevor es aber an die Umsetzung und Realisierung der Ideen geht, steht zunächst erst einmal die Präsentation des Museumskonzeptes bevor, welches vom Land Vorarlberg mit 60 % gefördert wird. Am 4. Juli 2017 wird es erstmals der Öffentlichkeit im Walserhaus vorgestellt. Bis dahin hat Stefan noch viel zu tun, um auch den 1. Stock vollständig auszuräumen.

Nach der Präsentation des Konzeptes werden dann nach und nach die ersten baulichen Maßnahmen erfolgen. Stefan Heim dazu: „ Die Räume müssen angepasst werden. Ich würde es mir etwas offener wünschen – sofern das statisch möglich ist. Und ich wünsche mir die Sichtbarmachung des Museums von außen.“ Ein neuer Eingang soll entstehen, ein barrierefreier Zugang durch den bereits neu eingebauten Aufzug wird zum Thema, es sollen Anschlüsse neu gelegt werden, die Beleuchtung wird anzupassen sein – und schlussendlich sind die vielen Vitrinen, von denen an einigen leider stark der Zahn der Zeit genagt hat, neu zu machen sein und damit dem Museum ein neues Gesicht gegeben. Spätestens in 2018, so hofft der Chronist und Archivar, wird er mit der ersten Ausstellung wieder ganz neu durchstarten können.

In der Zwischenzeit, bis die Neuorientierung abgeschlossen ist, hält er ein ganz besonderes Schmankerl bereit: Das Museum:Guckloch. Durch drei „Gucklöcher“ einer verklebten Schaufensterscheibe ist etwa 1 x im Monat ein neues, besonderes Exponat aus der Ausstellung zu sehen und entsprechend auch in einem Blog darüber zu lesen:

https://museumguckloch.wordpress.com/

Vorstellbar wäre durchaus, dieses Guckloch in seiner jetzigen Form zu erhalten. Es zieht im Vorbeigehen bereits Blicke auf sich und macht neugierig.

„Kann man ein Walser werden?“, lautet eine Frage in gelber Schrift auf weißer Wand – und auch die Antworten zu dieser Frage sind deutlich. Wir bemühen hier nochmals Jodok Müller aus dem Buch „Walserweg Vorarlberg“, der da schreibt:

„Für das Walser Bewusstsein ist nicht von Bedeutung, welche Mindestanzahl an Jahren jemand in der Gemeinde lebt, sondern wie sich das Bewusstsein in einem selbst entwickelt. Man muss selbst spüren, ob einem eine „Walser Haut“ gewachsen ist“.

Unsere „Walser Haut“ wächst jedenfalls von Tag zu Tag einen Millimeter mehr – das haben wir sehr deutlich gespürt bei unserem Besuch auf der „Baustelle Museum“. Wir wünschen Stefan Heim und seinem Team viel Erfolg und immer ein glückliches Händchen bei der Umsetzung aller Pläne. Möge das Museum das werden, was es werden soll: Weg von der statischen Ausstellung, hin zu mehr Offenheit, hin zur Begegnungsstätte und hin zum „Mitmach-Objekt“.

Wir werden weiter dran bleiben und so es uns möglich ist, auch unterstützen. Lieber Stefan, es wird uns ein Vergnügen sein und wir freuen uns schon heute auf eine mögliche Zusammenarbeit in der Zukunft. Zunächst aber danken wir Dir herzlich für das interessante und informative Gespräch. Wir sehen uns wieder – und ja, auch unsere „Walser Haut“ wird dann wieder ein wenig dicker sein – und wir freuen uns, dass es so ist.

Zur Museumsgalerie