Die Magie der Rauhnächte
oder:
Wie viel Aberglauben braucht der Mensch?
„Zwischen den Jahren“ – so sagt man doch. Viele Menschen spüren noch immer einen gewissen Respekt vor der Zeit „zwischen den Jahren“, eine Zeit, die eine ganz besondere ist: eine Magische. Wie sonst lässt es sich erklären, dass noch immer eine Reihe von Bräuchen und Ritualen des alten Volksglaubens in der Zeit zwischen Weihnachten und dem Heilig-Drei-Königs-Tag so lebendig sind.
Die 12 Rauhnächte
Nach altem Brauchtum beginnen die Rauhnächte mit der Nacht der Wintersonnenwende am 21.12., der dunkelsten und längsten Nacht des Jahres, die Thomasnacht genannt wird. Heute versteht man darunter allerdings die 12 Nächte zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Jänner.
Aber was macht diese Nächte so besonders? In dieser Zeit kann man sein „Glück optimieren“ oder „das Böse aus dem Haus verbannen“ und „sein Schicksal optimieren“. Nach altem Brauch gelten diese Tage auch als Wetterprognose, wobei jeder Tag für einen Monat im Jahresverlauf steht: der 25. Dezember für Januar, der 26. Dezember für Februar usw. bis hin zum 5. Jänner für Dezember.
Rituale, Weissagungen und Bräuche rund um die Rauhnächte sind viele Jahrhunderte alt. Entstanden sind die Geschichten in einer Zeit, als sich der Mensch Naturphänomene noch nicht wissenschaftlich erklären konnte. In der arbeitsfreien Zeit rund um Weihnachten kamen die Menschen mit Zeit zusammen und erzählten Geschichten, dadurch konnte der Mythos immer weiter wachsen. Natürlich hat dabei das Unheimliche, nicht Erklärbare von je her eine große Rolle gespielt.
Weisheiten über Rauhnächte
Aufräumen
Unordnung und Dreck ziehen die Wilden an und verursachen Krankheit und dunkle Gefühlsempfindungen. Vor dem Beginn der Rauhnächte sollte man daher gründlich aufräumen.
Alle Räder sollen stillstehen
In den Rauhnächten bewegt sich das Chaos in eine neue Ordnung hinein. Alle Räder sollten stillstehen. So wurde in dieser Zeit nicht gesponnen, gewaschen oder gemahlen. Alle Räder, die sich normalerweise drehen, werden abgestellt, weil sich in dieser Zeit das Schicksalsrad dreht.
Nicht ausmisten und nicht waschen
Zwischen Weihnachten und Neujahr soll nicht gewaschen oder ausgemistet werden. Das kann Unglück und Tod bringen.
Räunächtl – Kinder der Rauhnächte
Kinder, die an einem Samstag oder Sonntag während der Rauhnächte geboren werden, sollen magische Fähigkeiten besitzen. Sie sind geistersichtig, können in die Zukunft schauen, bringen Glück und können sehr reich werden.
Spielverbot
In diesen Nächten ist es nicht erlaubt, mit Karten oder um Geld zu spielen. Viele Geschichten und Legenden ranken sich um Menschen, die das Spielverbot missachteten und dadurch ungute unheimliche Begegnungen hatten, die ihnen fast den Verstand raubten.
Fremde Tiere
Tiere, die man sonst selten zu Gesicht bekommt, die sich aber in diesen Nächten zeigen, wie Ratten oder Mäuse, sollte man meiden, denn Krankheitsdämonen oder übel wollende Kräfte könnten sich hinter ihnen verbergen.
Türen leise schließen
Wer die Türen zuknallt, hat im neuen Jahr mit Blitz und Unfrieden im Haus zu rechnen.
Keine Betten und Wäsche im Freien lüften
Wer Bettzeug und Wäsche im Freien lüftet, hat mit Krankheiten zu rechnen, da sich die Wilden, die in diesen Nächten umherziehen, in der Bettwäsche verfangen.
Keine Haare und Nägel schneiden
Das bringt Unglück. Man kann im neuen Jahr mit Kopfschmerzen und Nagelentzündungen rechnen.
Geliehenes soll wieder an Ort und Stelle sein
Wer sich Dinge geliehen hat, sollte diese bis zu den Rauhnächten zurückgeben. Wer etwas verliehen hat, sollte es bis zu den Rauhnächten wiederbekommen – ansonsten ist für das neue Jahr mit Energieverlust und Krankheit zu rechnen.
Traumerfüllung
Träume, die man in dieser Zeit hat, gehen in Erfüllung. Werden sie in der ersten Nachthälfte bis Mitternacht geträumt, so erfüllen sie sich in der ersten Monatshälfte des jeweiligen Rauhnachtsmonats; Träume der zweiten Nachthälfte beziehen sich auf die zweite Monatshälfte.
Fehlende Knöpfe
Fehlen Knöpfe an einem Kleidungsstück und werden sie nicht rechtzeitig ersetzt, deutet dies auf Geldverlust hin.
Heilkräuter haben große Wirkung
In diesen Nächten wirken Heilkräuter besonders stark und sollten verstärkt zum Einsatz kommen.
Tod in den Rauhnächten
Stirbt jemand in dieser Zeit, wird es im darauffolgenden Jahr weitere Sterbefälle in der näheren Umgebung geben.
Bellende Hunde
Bellen Hunde in diesen Nächten, so ist dies eine Bestätigung, dass der Gedanke, der gerade gedacht wurde, richtig ist. Bellt ein Hund um Mitternacht, so wird jemand sterben.
Dinge, die herunterfallen
Fallen Erbsen, Linsen, Bohnen oder Geschirr herunter, so bedeutet dies Pech, Verlust und wenig Hilfe im neuen Jahr. Dies kann am 28.12. und am 5.1. bereinigt werden, indem man den Naturwesen besondere Speisen und Milch vor die Tür stellt.
Wetter in den Rauhnächten
Viel Wind kündigt ein unruhiges Jahr an. Viel Nebel steht für alte Dinge, die bereinigt werden wollen, und kündigt ein nasses Jahr an. Helles und klares Wetter bedeutet warme, trockene und gute Zeiten.
Fruchtbares Jahr
Viele Eisblumen an den Fenstern, Reif oder Schnee auf den Bäumen deuten auf ein ertragreiches Jahr hin.
Besen binden
Besen sollten in den Rauhnächten gebunden werden, weil man mit ihnen Krankheitsdämonen und böse Geister aus dem Haus fegen kann.
(Quelle: www.schwarzachtal-pass.de)
Das Räucherritual
Es wird wieder mehr und mehr zur Gewohnheit, während der Rauhnächte zu räuchern – auch im Tal. Grund dafür ist möglicherweise das wachsende Interesse für Naturheilkunde, also das Wissen um die Wirkung von Aromastoffen von Kräutern und Pflanzen. Damit verbunden ist auch die Sehnsucht der Menschen, die Sinne wieder mehr auf die Natur auszurichten und nach dem Rhythmus der Natur zu leben. Daher wird die Zeit rund um die Rauhnächte dazu genutzt, um zu den eigenen Wurzeln zurückzukehren.
Geräuchert wird meist nur während der vier wichtigsten Rauhnächte: der Thomasnacht am 21. Dezember, Heiligabend, Silvester und der Dreikönigsrauhnacht vom 5. auf 6. Jänner. Getrocknete Kräuterbuschen werden zerkleinert und mit Weihrauch und Kohle in einer feuerfesten Tonschale entzündet. Man beginnt am Herd, räuchert die Ecken der Küche und anschließend jeden Raum, auch im Stall und um Hof und Stall herum. Mit Segenssprüchen wie diesem soll das Gute im Haus einziehen:
„Möge alles Dunkle, alles, was uns nicht mehr dient, aus den Räumen jetzt verschwinden. Wir laden die Liebe und das Segenslicht ein. Möge der Raum in einem neuen frischen, leuchtenden Glanz erstrahlen und uns Frieden, Ruhe und Kraft schenken. Danke.“
Die bösen Geister und Dämonen, die während der Rauhnächte durch das Tal ziehen, sollen so ferngehalten werden, schlechte Energien sich in Luft auflösen.
(Quelle: Kleinwalsertal Tourismus)
Unser Kräuterbuschen, der in der Kräuterwerkstatt Alchemilla-Montana gefertigt wurde, enthält 9 verschiedene Kräuter. Die Zahl 9 steht für Vollendung und für Neubeginn. Alle Kräuter wurden tatsächlich auch im Kleinwalsertal gesammelt:
1. | Beifuss | Schutz, Stärke, Heilung |
2. | Wacholder | Schutz, Gesundheit, Liebe |
3. | Johanniskraut | Wetterschutz, Licht |
4. | Salbei | Langlebigkeit, Schutz |
5. | Farn | Veränderung, Heilung |
6. | Schafgarbe | Gute Träume |
7. | Engelwurz | Schutz, Heilung |
8. | Engelwurz | Stärke, Mut, Schutz |
9. | Königskerze
oder Alant |
Mut, Liebe
Liebe, Schutz |
Die Geschichten, die man sich rund um die Rauhnächte erzählt, kann man glauben oder auch nicht. Ob man sich an die eine oder andere Regel während der Rauhnächte hält, mag jeder für sich entscheiden – wir tun es zumindest teilweise. Letztendlich kann man sich ja doch nie ganz sicher sein, welche übersinnlichen Mächte zwischen Himmel und Erde vielleicht doch ihre Finger im Spiel haben, auch wenn es sich rational nicht erklären lässt. Und mal ehrlich – so ein ganz klein wenig Aberglauben gehört doch dazu, oder…?
Fakt ist jedenfalls eins, egal ob mit oder ohne Rauhnacht-Mystik:
Der Magie der stillen Zeit kann man sich im Kleinwalsertal nur schwer oder eigentlich gar nicht entziehen – und das ist gut so.
In diesem Sinne wünschen wir Euch allen ein sehr besinnliches, ruhiges Weihnachtsfest und für das neue Jahr alles Gute.