Von   17. November 2018

Draußen zu Hause – mit der Wildnisschule Kleinwalsertal

„… An alle Indoor-Stepper und Power-Napper,

alle Urban-Gardener und Facebook-Farmer,

an alle Laufbandläufer und Proteindrink-Trinker,

alle Insider und Upgrader,

an all euch Meilenmillionäre:

Macht erst mal ohne mich weiter.

ICH BIN RAUS.“

(Zitat Schöffel Werbekampagne)

Wer kennt sie nicht – diese Werbekampagne des namhaften Outdoormode-Herstellers. „Wir sind dann mal weg, denn auch wir sind draußen zu Hause.“ So denkt und handelt der Inhaber eines ganz jungen Unternehmens in Riezlern: Ronny Katz von der Wildnisschule Kleinwalsertal.

Ronny, 1981 im Siegerland in NRW geboren und durch einen Job als Skilehrer 2015 ins Kleinwalsertal gekommen, ist ein echter Naturbursche. Schon sein Vater hat ihm gezeigt, wie schön es ist, draußen zu sein. „Wenn wir im Wald unterwegs waren und die Sonne unterging, haben wir eben ein Feuer gemacht, ein Lager gebaut und sind einfach dageblieben“, erzählt er mir mit leuchtenden Augen aus seinen Kindertagen. So hat er gelernt, die Natur zu achten und zu lieben und mit und in ihr zu leben. Diese Liebe und Leidenschaft zum Beruf zu machen, das war sein Traum.

Eine intensive einjährige Ausbildung ging voran. „Man braucht was Offizielles, das ist schon wichtig. Aber ich wollte mich auch unbedingt weiterbilden.“ Mit der offiziellen Ernennung zum geprüften Outdoor-Guide ist der Traum dann wahr geworden: Am 01.06.2018 öffnete die erste und einzige Wildnisschule im Kleinwalsertal in einem kleinen Büro direkt an der Walserstraße in Riezlern die Türen.

Unterstützung erhält „Schulleiter“ Ronny von seiner Partnerin Bine, die im Walsertal geboren ist und die er mit seinem Virus infiziert hat. Immer mit dabei sind außerdem die 11-jährige Tochter Joe, Familienhund Piwo und „Praktikant“ Pius, der unterstützt und hilft, wo er nur kann.

Ich habe mich kürzlich mit Bine und Ronny getroffen und sehr lange mit ihnen über ihr noch so junges Unternehmen gesprochen.

In die Wildnisschule zu gehen ist eine etwas andere Art des „Schulbank-Drückens“, ohne graue Theorie, ohne den erhobenen pädagogischen Zeigefinger – vielmehr ist es die Natur selbst, die es spannend übernimmt, Lehrmeister zu sein.

„Draußen zu Hause.“

Diesen Satz bringe ich ins Spiel, als wir uns unterhalten. „Genauso ist es“, bestätigt mir Bine und erzählt von ihrem Draußen-zu-Hause, welches sich versteckt im Wildental befindet, das hier seinem Namen wirklich alle Ehre macht. Im Grunde geht es darum, sich in dieser Wildheit der Natur eine Komfortzone zu schaffen – mit den einfachen Dingen, die die Natur bietet und mit ein paar wenigen Dingen, die in einen Rucksack passen. Mit wie wenig man auskommen kann, ist das erste, was Ronny seinen Teilnehmern zeigt. Ein Klappspaten, eine Säge zum Zusammenstecken und ein Messer sind wohl die einzigen Hilfsmittel, nicht mal ein Feuerzeug wird benötigt.

In der Draußen-zu-Hause-Zone des Wildentals, dem wohl unberührtesten Fleckchen im Kleinwalsertal, gibt es im Naturcamp ein Wohnzimmer mit Feuerstelle, eine Küche und auch Schlaflager. Das zuerst gebaute Baumhaus für Übernachtungen musste wieder zurückgebaut werden, aber Ronny gehen die Ideen nicht aus – ein Neues ist schon in Planung.

Natürlich bleiben.

Feuer bringt Wärme und mit Feuer gibt es Nahrung. Zunächst wird Holz gesucht und gehackt. Dann lernen die Teilnehmer, ohne ein Feuerzeug Feuer zu machen und dieses am Leben zu erhalten, denn die Kochstelle und Wärmequelle sollten niemals ausgehen. Einer ist immer für das Feuer zuständig, auch zur Sicherheit – denn diese hat oberste Priorität.

Wenn sich nach so viel Arbeit der Hunger meldet, wird gemeinsam geschnippelt und auch gekocht. „Outdoor-Cooking liegt im Trend – und draußen zu kochen ist kein Hexenwerk“, erzählt Ronny.

Fertigprodukte sucht man hier vergebens. Gemüse wird vom Markt frisch und unverpackt besorgt und in der Outdoor-Küche gemeinsam geschnippelt. Plastikverpackungen oder Flaschen – Fehlanzeige. Die selbstgemachte Kräuterlimonade ist der Renner und eignet sich wunderbar zum Stillen des Durstes.

 

Über dem Feuer hängt ein großer gusseisener Topf. Darin lassen sich aus dem frischen Gemüse wunderbar Eintöpfe zubereiten. Mit selbst gesammelten Kräutern wird der Brotaufstrich verfeinert. Am Lagerfeuer gibt es Stockbrot und das ganz besondere Highlight ist der Schweinebraten aus dem Erdloch. Zunächst in Salzteig gehüllt, kommt das Fleisch in die ausgehobene Grube, in die zuvor erhitzte Steine gelegt werden. Alles wird abgedeckt und auch ohne Uhr wissen beide, wann der Braten fertig ist. Die Überraschung gibt es dann beim Essen. Dieser Braten überrascht mit einem einzigartigen Geschmack und einer Zartheit, die man bei dieser Zubereitungsart vielleicht so gar nicht erwarten würde.

So viel Abenteuer macht natürlich auch mal müde. Irgendwann ist es dann an der Zeit, sich das Schlaflager zu richten. Ein ordentlicher Schlafsack und eine gute Isomatte sollten schon sein. Ansonsten tun es für das Schlaflager ein paar Zweige aus dem Wald und eine einfache Plane. Das Übernachten draußen ist und bleibt immer wieder ein besonderes Abenteuer. Denn nachts ist man in der Natur nie allein. So kann es schon einmal sein, dass ein Fuchs oder Rotwild vorbei schaut. Ronny erzählt mir, dass es sogar schon vorgekommen ist, dass ein Teil der Vorräte am nächsten Morgen im Umkreis des Lagers gefunden wurde, obwohl er direkt neben diesen Vorräten schlief. Der Fuchs hatte wohl auch Hunger. Natur eben …

Rambazamba oder große Action gibt es im Camp nicht. Holz sammeln, Holz hacken, Feuer machen, gemeinsam kochen, gemeinsam essen, die Natur lesen und erleben lernen und auch mal draußen schlafen sind Action genug. Es geht eher ruhig zu, man lebt für kurze Zeit auf friedliche Weise mit Flora und Fauna in der Weite der Wildnis unterm Sternenzelt zusammen. Man stört sich nicht, respektiert das Drumherum mit allen Eigenheiten. Man akzeptiert seine Grenzen. Ruhe genießen und Natur erleben – diese für viele vollkommen neue Erfahrung steht im Vordergrund.

Auf das Thema Handy angesprochen, ohne das es ja heute kaum noch geht, erklären mir beide: „Anfangs haben wir mal über ein Verbot nachgedacht. Aber das Handy ist ja heute auch gleichzeitig Fotoapparat und viele wollen Erinnerungen festhalten. Aber Flugmodus ist während des Aufenthaltes im Camp schon Pflicht.“

Veränderungen erleben für Groß und Klein – eins mit der Natur.

Das Camp verändert die Menschen. Ronny und Bine merken das immer wieder. Meist dauert es nicht lange, bis zuerst mal das Handy vergessen ist und in der Tasche verschwindet. Manche Eltern berichten im Vorgespräch, ihre Kinder würden dies und das nicht mögen oder jenes nicht essen. Beide beobachten aber, dass die Kinder in der Gemeinschaft des Camps sehr gerne das Selbstgekochte verzehren und auch tatkräftig mit anpacken. Viele wachsen dabei über sich hinaus.

Bei den Erwachsenen dauert es meist nicht sehr lange, bis der Alltagsstress abfällt und völlig vergessen wird. Die Gruppen sind bewusst klein gehalten – es sind immer nur so viele, wie um das Feuer herum sitzen können. „Bis jetzt war noch keiner hier, der nicht eins mit der Natur geworden ist“, so lautet das zusammenfassende Fazit der beiden.

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Für dieses Jahr ist das Draußen-zu-Hause-Camp der Wildnisschule im Wildental nun erst mal geschlossen. Bine und Ronny widmen sich jetzt ihrer zweiten Leidenschaft und sind den Winter über in Riezlern als Skilehrer zu finden. Doch sie haben noch viele Pläne. Auch im nächsten Sommer wird es wieder Kurse geben – in jeglicher Konstellation. Vom Kindergeburtstag über die Wildnistage, vom Familienausflug bis hin zum Firmenevent soll für große und kleine Abenteurer wieder etwas dabei sein. Auch mehrtägige Sommercamps sind in der Planung. Das Programm könnte auch noch erweitert werden. Schatzsucherei und Rätsellösen für Kinder ganz wie früher mit der guten alten Schatzkarte zum Beispiel oder teambildende Challenges für die Erwachsenen. Ein großer Traum ist es, irgendwann auch im Winter Camps anbieten zu können. „Mit den Skiern losziehen, irgendwo ein Iglu bauen, darin übernachten und am nächsten Tag mit den Skiern weiterziehen, das wäre was“, schwärmt Ronny von seinem Wildnisschule-Wintertraum.

Ihren ersten Sommer haben die beiden Wildniscoaches gut gemeistert. Dass diesem ersten Sommer noch viele weitere Sommer „Draußen zu Hause“ folgen werden und es irgendwann auch im Winter „Ich bin raus“ heißt, das wünsche ich den beiden sympathischen Jungunternehmern von Herzen. Sie werden das schaffen, denn sie leben das, was sie lieben. Es ist etwas Einzigartiges, was Ronny und Bine mit ihrer Wildnisschule im Kleinwalsertal anbieten. Nicht nur die überaus herzliche Art der beiden macht das Angebot so Besonders.

Ich kenne das Wildental, doch das kleine Tal mit seiner großen Natur neu zu entdecken und zu erleben, das macht mich schon sehr neugierig. Eure Einladung für den nächsten Sommer ins Wildnisschule-Wohnzimmer im Wildental, die nehme ich deshalb nur zu gerne an.

Für das nette Gespräch darf ich mich bei Euch von Herzen bedanken – es war ein spannender und interessanter Nachmittag. Macht weiter so, ihr beiden! Ich freue mich auf unser Wiedersehen.

Wer sich über das Angebot der Wildnisschule vorab informieren möchte, kann das hier tun:

https://www.wildnisschule-kleinwalsertal.com/

 

Die Bilder wurden uns freundlicherweise von der Wildnisschule Kleinwalsertal zur Verfügung gestellt und zur Veröffentlichung freigegeben. Vielen Dank dafür.