Von   26. Oktober 2025

Zeitverschwendung? Aber gerne …

Gedanken über das „Sich-treiben-lassen“

„Nimm dir Zeit und verschwende sie in den Bergen.“ Diesen Satz fand ich kürzlich im Netz – und er regte mich an, über diese Worte nachzudenken.

Verschwendung – dieser Begriff hat einen sehr negativen Beigeschmack. In unserer Gesellschaft, in der heute alles nur noch auf Leistung getrimmt ist, ist gerade die Verschwendung von Zeit – das „süße Nichts-Tun“ – verachtet. Doch der Beruf und der vollgepackte Terminkalender noch nach Feierabend fordern, alles fordert so lange, bis das Herz dem Verstand sagt: „Können wir kurz aufhören, stark zu sein? Ich kann nicht mehr …“ Ein Burnout droht.

Perspektivwechsel

Warum also nicht einfach mal treiben lassen – gerade im Urlaub? Muss der Urlaub immer zu Höchstleistungen genutzt werden, ganz nach dem Motto „Gestern habe ich den Berg gemacht, heute gehe ich diese große Tour und morgen mache ich dann die nächste Megaroute“. Wo bleibt da der Genuss?

Auf die Berge zu steigen ist etwas sehr Schönes, dafür macht man Urlaub in den Bergen. Aber muss es dabei immer schneller, immer höher, immer weiter sein? Reicht es nicht, wenn man entsprechend der körperlichen Möglichkeiten gemütlich den Berg hinaufgeht, oben stolz auf das Erreichte einige Zeit den Gipfel genießt und sich dann genauso besonnen wieder auf den Rückweg macht?

Und muss es unbedingt jeden Tag ein anderer Berg sein? Es gibt doch noch so viele Möglichkeiten, auch mal einen Tag anders – aber dennoch schön und entspannt zu verbringen.

Lassen wir uns doch einmal nur treiben, planen gar nichts, leben in den Tag hinein und bleiben einfach neugierig, was dieser für Überraschungen bereithält. Schauen wir doch morgens erst aus dem Fenster und wählen dann spontan oder wie ich gern sage „operativ“ eine Option, ob und wenn ja was wir tun.

Entscheiden wir uns doch mal wieder bewusst für kleinere Wanderungen oder auch einfach nur mal einen Spaziergang zu einem schönen Platz, wo wir in aller Ruhe einmal „nur“ die Aussicht genießen.

Oder wir entscheiden uns für eine Unternehmung, die uns ganz bewusst in die Ruhe und Langsamkeit führt. Beispiele dafür gibt es genug. Eine Fahrt zum Sonnenaufgang auf das Walmendingerhorn im Sommer, wo jeder Moment bis an den Rand mit Stille gefüllt ist, oder eine Fackel- oder Schneeschuhwanderung im Winter, die wirklich meditativen Charakter trägt, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

Warum nicht mal einen Wellnesstag einlegen und sich verwöhnen lassen? Das tut Körper, Geist und Seele gut und reduziert das Stresslevel enorm.

Ich verschwende jedes Jahr an einem ganz bestimmten Tag ganz bewusst Zeit, nämlich dann, wenn ich morgens um 6 Uhr mit einem Thermobecher voller Kaffee an einem Lieblingsplatz sitze, dem erwachenden Tag zusehe, den Vögeln beim Zwitschern und den Blättern beim Rauschen im Wind zuhöre und auch am Handy nicht erreichbar bin – obwohl es mein Geburtstag ist. Diese Zeit gehört ganz allein mir!

Die schönste Form der Zeitverschwendung habe ich „Banklaufen“ getauft. Das Rezept dafür ist ganz einfach: Man suche sich einen schönen – nicht zu langen Spazierweg und nehme diesen ganz ohne sportlichen Wert unter die Füße. Begegnet einem dann an schöner Stelle eine Bank, dann herzlich willkommen. Nimm die Einladung an, setz Dich und genieße den Augenblick.

Einfach nur genießen …

Wenn die Welt dann langsam leiser wird, wird das eigene Herz lauter. Die Stille dieses Moments lädt ein, die Szenerie einfach nur noch zu genießen, auch mal über Nichtigkeiten nachzudenken oder ganz und gar im Nichts zu versinken. So kann ein Spaziergang, der sonst vielleicht eine Stunde Zeit benötigt, auch mal doppelt so viel Zeit brauchen – ich finde, eine der schönsten Arten, Zeit zu verschwenden. Entdecken wir doch auch mal wieder die Langsamkeit. Ich lade herzlich dazu ein, es zu probieren. Ihr werdet sehen, es wird wunderbar. Auf geht’s!