Von   31. Januar 2016

Ein Wintertraum

Der Winter ist ein großer Zauberer. Den traumhaften Tag, den er mir heute anbietet, will ich in purer Natur verleben. Die Sonne lacht vom strahlend blauen Himmel und zaubert ein faszinierendes Licht, als ich fast am Ende der Straße im Ortsteil Egg nach links abbiege. Bevor ich allerdings abbiegen kann, muss ich einmal Platz machen, als ich ein leises Schnauben höre. Ich springe zur Seite, bis zu den Knien hinein in den beiseite geräumten tiefen Schnee. Zwei Reiter mit ihren dampfenden Pferden vom nahegelegenen Reitstall am Eberlehof traben an mir vorbei. Das Trappeln der Hufe wird vom Schnee gedämpft, nur der Atem der eleganten Tiere unterbricht die winterliche Stille, die ich in vollen Zügen genieße. Die haben ihren Winterausflug schon hinter sich und wollen zurück in den warmen Stall.

Ich folge einem scDSCF0442hmalen, nur von wenigen Spuren vorgezeichneten Weg und stapfe über tief verschneite Wiesen. Plötzlich wird das Kind in mir wach. Ich schaue mich um – keiner da, der mich bei meinem Gefühlsausbruch beobachten könnte. Ich lasse mich in den tiefen Pulverschnee fallen und zeichne mit Armen und Beinen einen Engel in den Schnee. Feine Eiskristalle kitzeln mein Gesicht, ich spüre die Kälte nicht, die zarte Wintersonne wärmt. Ich muss über mich selbst lachen und stehe lieber wieder auf, bevor doch noch jemand vorbeikommt, der mich für verrückt halten könnte.

Ich erinnere mich an den Sommer, als die Wiesen gerade frisch gemäht waren. Ich denke an frisches raschelndes Heu und atme den Duft der getrockneten Kräuter, der mir plötzlich in die Nase steigt. Jetzt heißt es hier Grenzen respektieren – die Natur schläft und sollte in ihrem Winterschlaf nicht gestört werden.

An der holzgedeckten Höflebrücke verweile ich, lehne mich über das Geländer und lasse die Natur auf mich wirken. Eine Landschaft, die ich aus dem Sommer als wild und belebt in Erinnerung habe, liegt mir jetzt sehr still zu Füßen. Glitzernder Pulverschnee deckt Tal und Berge zu, alles funkelt in der Sonne förmlich wie verzaubert – eine romantische Winterlandschaft, die ihresgleichen sucht. Das Wasser plätschert nur noch leise vor sich hin, Wiesen, Bäume, Steine, Wege – alles hat weiße Mützen auf. Es wirkt wie ein Märchen.

Ich folge dem „schwarzen Wasser“, welches sich im Winterschlaf ausruht, in seinem natürlichen Verlauf, genieße die Stille und die Einsamkeit. Unter meinen Füßen knirscht leise der Schnee, die Sonne wärmt mein Gesicht und legt mir ein unendliches Glücksgefühl in mein Herz. An einer kleinen Fallstufe spiegelt sich die Natur im fast vollständig zur Ruhe gekommenen und an den Rändern leicht angefrorenen Bach. Dort, wo er sich mit der Breitach trifft, steht eine Bank. Auch diese hat eine große weiße Mütze auf, so dass meine Hände sich zunächst mit Schneeschaufeln beschäftigen müssen, bevor ich mich dort niederlassen kann, denn hier will ich noch ein wenig bleiben. Ich habe eine Thermoskanne im Rucksack – mit Glühwein. Den werde ich jetzt genießen. Was will ich mehr? Ein traumhaft schöner sonniger Wintertag, glitzernder Schnee, reine saubere Luft, eine Natur, die zu schlafen scheint, totale Stille, dazu ein guter wärmender Schluck – so kann man es sich schon gut gehen lassen.

Plötzlich dringt ein seltsames Geräusch an mein Ohr. Was ist das? Es dauert eine ganze Weile, bis ich verstehe, dass es mein elektronischer Helfer – auch „Weckerbiest“ genannt – ist, der mich aus meinem Wintertraum reißt. 04.45 Uhr – Zeit zum Aufstehen, ich muss doch ins Büro. Ich strecke mich unter der warmen Bettdecke und muss schmunzeln über meinen Traum. Was will mir mein Unterbewusstsein damit sagen? Ich weiß es schon. Ich – ein absolut überzeugter Kleinwalsertal-Sommer-Fan, kann die Schönheiten des Tales auch im Winter ganz ausgezeichnet genießen.

Und hier noch ein paar Bilder zu einem Traum, der kein Traum blieb, sondern Realität wurde – und immer wieder ein sehr gern gegangener Weg ist.