Von   1. September 2017

Der Zauber eines Augenblicks – im Sonnenuntergang auf dem Walmendinger Horn

Als wir an diesem Abend gegen 18 Uhr in die Gondel zur Sonderfahrt einsteigen, sind wir sehr gespannt auf einen besonderen Abend – einen Abend, der uns Unvergessliches verspricht. Die Sonne strahlt vom unvergleichlich blauen Himmel und es ist so wunderbar angenehm, dass wir uns – oben angekommen – einen schönen Platz mit Aussicht auf der Sonnenterrasse genehmigen.

Wir wollen uns etwas ganz Besonderes gönnen: Einen Sonnenuntergang in den Bergen. Dazu findet bei gutem Wetter regelmäßig in den Sommermonaten eine Sonnenuntergangsfahrt statt – und da werden wir an diesem Abend dabei sein.

Zur musikalischen Begleitung erwartet uns auf der Sonnenterrasse auf dem Walmendinger Horn ein Harfenkonzert mit der Oberstdorfer Tonkünstlerin, Musik- und Tanzpädagogin Martina Noichl (www.martinanoichl.de), die es wunderbar versteht, ihrem Instrument zart schmeichelnde Töne zu entlocken. Untermalt wird dies mit besinnlichen und weltlichen Texten z.B. zum Thema Zeit, Freiheit, Vergänglichkeit oder Entschleunigung. Für diese Texte verantwortlich ist der evangelische Pfarrer des Tales Frank Witzel, ein sehr weltoffener und sympathischer Mann, der es schafft, uns und alle anderen Anwesenden auf das Wesentliche zu besinnen – auf sich selbst.

Wann haben Sie zum letzten Mal etwas „einfach nur so“ getan, eigentlich nutzlos, aber doch mit Freude? Zum Beispiel in die Berge gehen, ohne nach dem Sinn zu fragen? Sich selbst zu erleben, zu sich selbst zu finden, sich an Kleinigkeiten erfreuen, die oft so selbstverständlich erscheinen.

Genau wie Pfarrer Witzel bemühen auch wir eine Geschichte von Luis Trenker, die in dem Buch „Zauber der Berge – Heiteres und Besinnliches für Gipfelstürmer“, zusammengetragen von Katrin Gebhardt und veröffentlicht im Jahr 2005 im Coppenrath Verlag Münster, zu lesen ist:

„Wenn mich Journalisten und Reporter interviewten, kamen manchmal recht eigenartige Berichte in die Presse. Die „LOS Angeles‘ Times“ hatte mich als „Mountain-Climber“ vorgestellt, und eines Tages kam eine Reporterin vom „Observer“ und wollte allerlei wissen. Ich versuchte, ihr die Arbeit mit meinem sparsamen Englisch zu erleichtern, und so begann das Frage- und Antwortspiel:

„Sie sind ein Mountain-Climber?“

„Man sagt hier so.“

„Was tut denn ein Mountain-Climber?“

„Er climbt auf die Berge.“

„Wozu climbt er auf die Berge?“

„Weil es ihn freut.“

„Verdient er dabei Geld?“

„Nein, im Gegenteil, es kostet ihn Geld.“

Die junge Dame notierte meine Antwort, schüttelte den Kopf, schaute mich mitleidig lächelnd an und fragte weiter: „Gibt es viele Menschen, die das tun?“

„0h ja, viele.“

„Ist es gefährlich, auf die Mountains zu climben?“

„Je nachdem, manchmal sehr, manchmal weniger.“

„Was tut ein Mountain-Climber wenn er am Ziel ist?“

„Dann freut er sich, schaut die Aussicht an und rastet.“

„Und was tut er dann?“

„Dann steigt er wieder hinunter ins Tal.“

„So? Ist das alles?“

„Ja, alles.“

„Hm. Machen das alle Mountain-Climber so?“

„Ja, alle.“

„Aber, wozu ist er denn dann hinaufgestiegen?“ fragte sie, nachdem sie auch die letzte Antwort aufgeschrieben hatte. Sie hat sich unter einem Mountain-Climber gewiss etwas Vernünftiges vorgestellt, und nun war es damit leider gar nichts.“

In eben diesem Büchlein findet sich auch ein Zitat von Jean-Jacques Rousseau, einem Genfer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge, Naturforscher und Komponist des späten 18. Jahrhunderts, dem der Aufruf „Zurück zur Natur!“ zugeschrieben wird:

„In der Tat ist es ein allgemeiner Eindruck, den alle Menschen empfinden, wiewohl sie ihn nicht alle wahrnehmen, dass man auf hohen Bergen, wo die Luft rein und dünn ist, mehr Freiheit zu atmen, mehr Leichtigkeit im Körper, mehr Heiterkeit im Geiste spürt; das Vergnügen ist da nicht so heftig, die Leidenschaften sind gemäßigter. Die Gedanken nehmen da ich weiß nicht was für einen großen, erhabenen Schwung, den Gegenständen gemäß, die uns rühren; sie haben ich weiß nicht was für eine ruhige Wollust, die nichts Heftiges und Sinnliches hat. Es scheint, als schwänge man sich über der Menschen Aufenthalt hinauf und ließe darin alle niedrigen und irdischen Gesinnungen zurück, als nähme die Seele, je mehr man sich den ätherischen Gegenden nähert, etwas von ihrer unveränderlichen Reinheit an.“

Während Martina Noichl an der Harfe mit harmonischen Klängen verzaubert und Pfarrer Witzel mit seinen Texten zum Nachdenken anregt, ist es trotz laufendem Service bei geöffnetem Restaurant oft so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Und der Abend schafft tatsächlich etwas ganz Besonderes: Er entschleunigt und ich fühle mich wie neu geerdet.

Am Ende dieses besinnlichen Abends stehen das bewusste Erleben eines einmalig schönen Naturerlebnisses, untermalt von zarten Harfenklängen und außerdem die Erkenntnis, dass man öfter mal an sich selber denken sollte. Nicht hasten und eilen und durch den Tag hetzen, sondern bewusst die Schönheiten des Lebens genießen und nicht immer nach dem Sinn fragen.

Es ist beispielsweise nicht wichtig, die Wanderkilometer und die erklommenen Höhenmeter zu zählen. Was viel mehr zählt, ist etwas für das innere Gleichgewicht und für sich selbst zu tun. Es heißt, sich immer wieder neu zu entdecken, zu sich selbst zu finden und die innere Ruhe von Körper, Geist und Seele im Einklang mit dem hautnahen Kontakt zur Natur zu erleben. Es sind die vielen unvergesslichen Eindrücke, die wirklich zählen. Es ist das Tun, das manchmal so sinn- und nutzlos erscheint und das man trotzdem tut – „einfach so“ – weil es eben gut tut.

Als am Ende dieses Abends die Sonne das fulminante Finale übernimmt und sie sich in den schönsten Farben am wolkenlosen Himmel verabschiedet, passiert etwas ganz Besonderes. Ich vermag nicht zu sagen, wie es meine Begleiter empfunden haben, aber ich selbst habe plötzlich wirklich alles vergessen: erst mein Handy, dann den Laptop, dann die Arbeit – und schließlich auch noch den Alltag. Und dieser Abend hallt noch lange nach. So soll es doch sein – oder…???

Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an Martina Noichl und Pfarrer Frank Witzel sowie an das Team der Bergbahn und das Servicepersonal des Bergrestaurants für diesen unvergesslichen Abend.