Von   8. September 2019

Herbst im Kleinwalsertal

Gedanken über Luxus in den Bergen

Guten Morgen Kleinwalsertal. Dieser Morgen ist einer, der ein ums andere Mal die herbstliche Schönheit des Tales besonders in den Morgenstunden zeigt. Die Berge im klaren Licht der aufgehenden Sonne, während über dem Tal ein paar Wolkenfetzen und Nebelschwaden hängen – es ist ein ganz besonderes Licht, was sich in diesen Tagen dem zeigt, der zeitig genug aus dem Bett fällt.

Da die Zeit für eine ausgedehnte Bergtour heute leider nicht reicht, entscheide ich mich für einen gemütlichen Spaziergang ganz in der Nähe. Ich genieße die frische klare Luft, während ich entspannt durch eine bunte Landschaft laufe. Bäume, die ihr in eine unwahrscheinliche Farbenvielfalt getauchtes Laub leise schwebend zum Boden schicken, lassen mich wieder zum Kind werden, als ich durch die raschelnden Blätter schlurfe. Jetzt ist das „Heb die Füße“, was ich als Kind immer hören musste, außer Kraft gesetzt. Am Schwarzwasserbach, der quasi vor der Haustür liegt, setze ich mich still auf eine Bank. Über dem Wasser steigen Nebelfetzen auf. Nichtstun – einfach nur so dasitzen, die Ruhe genießen, an nichts denken und der Natur zuschauen – das ist Luxus …! Und auch dieser kleine, nicht länger als 2 Stunden dauernde Spaziergang an diesem Tag tut gut und gibt Kraft und Energie für alles, was da heute noch so kommt.

Der nächste Tag: Ich darf den wunderbaren Luxus genießen, vom Bett aus das Bergpanorama zu sehen, sobald ich die Augen öffne. An diesem Morgen sehe ich nichts außer Nebel und mir fällt eine Begebenheit ein, die nun schon gut und gerne 10 Jahre her ist. Es war ein Tag Mitte September. Nebelhorn war an diesem Tag auf dem Plan. Schlechtes Wetter? Pfeif drauf … Wenn Nebelhorn auf dem Plan steht, wird Nebelhorn gemacht. Als einer von wenigen Fahrgästen in der Nebelhornbahn kommt man natürlich ins Gespräch – und der Kabinenfahrer, der damals die Fahrt betreute, ist „schuld“ daran, dass ich seit nunmehr 10 Jahren bei Nebel immer und immer wieder einen Satz benutze, der mich als geflügeltes Wort seither immer begleitet. „Das Nebelhorn macht seinem Namen alle Ehre: Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.“ Nun, damals sah man wirklich nichts an diesem Septembertag vor 10 Jahren, es war kalt, es war neblig – aber ich war auf dem Nebelhorn. Mit dem ersten Herbstschnee baute ich einen Minischneemann, dick eingemummelt in die Wetterschutzjacke genoss ich trotzdem den Aufenthalt dort oben. Ungemütlich eigentlich, kalt und nebelfeucht, das kriecht in alle Ecken. Aber vor allen anderen die erste Schneeballschlacht machen und sich mit einer heißen Schokolade (vielleicht sogar mit Schuss… J) anschließend wieder aufwärmen – das ist Luxus …!

Heute bin ich schlauer. Ein „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“ ist kein Grund für Verzweiflung. Schnell auf die Webcams oben am Berg geschaut und was soll ich sagen? „Wie Sie sehen, sehen Sie weit.“ Hoppla, das ist 1A Obheiter oder – wie die Wetterfrösche korrekt sagen – Inversionswetter. Inversionswetter bedeutet, dass der Nebel im Tal hängt und es über der Wolkendecke sonnig ist. Aber nicht nur das. An einem Inversionswettertag ist die Temperatur auch umgekehrt. Während es im Tal beispielsweise nur 10 Grad hat, misst das Thermometer oben am Berg auch schon mal 20,5 Grad – wie an diesem Herbsttag. Also nichts wie raus aus den Federn, den Rucksack gepackt und los. Frühaufsteher haben’s besser, das stimmt in diesem Fall nicht nur zu 100, sondern zu 1000 %. Ich nehme die erste Bahn, die mich gemütlich auf den Berg gondelt. Es dauert eine Weile, bis aus dem „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“ ein „Wie Sie sehen, sehen Sie weit“ wird. Als die Gondel aus der Nebelsuppe ins Licht durchstößt, kitzeln mich die Sonnenstrahlen in der Nase. Die Perspektive bricht auf und der Blick schweift über den Dingen. So wie sich der Blick öffnet, öffnet sich auch das Herz. Die unermessliche Weite der Landschaft strahlt aus und ihre stillen Regungen in einem unendlichen Wolkenmeer vermitteln das Gefühl, wie kostbar das Zusammenspiel der Natur ist. Ein einziger Lichtstrahl reicht aus, um diese Szene zu entzünden. Die weichen Wolkenstrukturen, die wie Schiffe aus dem Nebelmeer auftauchenden Bergspitzen und die unermessliche Weite des Gesehenen – es wirkt wie von einem anderen Stern. Diese Szenerie ist besonders und es lohnt sich, sie in vollen Zügen zu genießen, bevor man sich auf Tour begibt. Ein Wolkenmeer, das sich besonders zeigt. Kindermund sagte dazu: „Schau mal Opa, hier ist alles voller Schnee.“ Ich finde ja, es sieht aus wie Zuckerwatte. Aber all das ist Ansichtssache. Wichtig ist der Genuss. Um es mit Christian Morgenstern zu sagen: „Ruhe im Inneren, Ruhe im Äußeren. Wieder Atem holen lernen, das ist es.“ Das ist Luxus …!

Die Bergtour wird dann eine ganz besondere. Selten ist die Luft so klar wie an diesem Tag. Morgentau, Sonne und angenehme Temperaturen, das Pfeifen der Murmeltiere, die Einsamkeit am Berg, kaum eine Menschenseele ist so bald schon unterwegs. Frühaufsteher sind hier klar im Vorteil. Glockengeläut begleitet mich, ein paar Kühe genießen ihre letzten Tage in den Bergen vor dem Alpabtrieb. Ganz langsam bricht im Laufe des Tages die Wolkendecke auf und gibt den Blick ins Tal frei. Alles erstrahlt schillernd, nicht nur das Tal, auch ganze Bergrücken verzücken mit leuchtenden Herbstfarben, den Schönsten, die das Auge erblicken kann. Bergenzian, Silberdisteln – auch die Natur zeigt, dass der Herbst Einzug hält – und er zeigt sich von seiner schönen farbenfrohen Seite. Die Einkehr in einer Berghütte gehört dann natürlich auch dazu. Eine deftige Brotzeit mit dem guten Bergkäse, frisch geräuchertem Schinken oder selbst gebackenem Kuchen mit den Heidelbeeren, die in der direkten Umgebung selbst gesammelt wurden, sorgen für das leibliche Wohl. Der Tag klingt aus mit namenloser Freude und hinterlässt eine Spur der Ruhe, die man aus den Herbstbergen mitnehmen darf. Das ist Luxus …!

Und wenn es doch mal regnet? Egal …. Es gibt inzwischen sehr hochwertige Regenbekleidung und auch die Schuhe sind, wenn sie gut sind, wasserdicht. Also nichts wie rein in die Klamotten und raus in den Regen. Auch das ist Luxus …!

Der Herbst in den Bergen ist eine besondere Jahreszeit, die mit besonderen Wetterphänomenen und einer Vielzahl von schillernden Farben zu überraschen weiß. Und auch sonst gibt es viel zu erleben. Auf alles einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Wichtig aber ist: Genießen wir diese Zeit in vollen Zügen und seien wir dankbar, dass wir es genießen dürfen – DAS IST LUXUS …!

Die nächsten wichtigen Termine im Kleinwalsertaler Bergherbst:

14.09.2019 – 06.10.2019 Herbst.Genuss.Zeit

http://www.herbstgenusszeit.at/de/termine-im-kleinwalsertal.html

19.09.2019 Alpabtrieb im Kleinwalsertal

Zum Schluss möchte ich noch ein paar Worte über Verhalten am Berg verlieren, denn was ich selbst in diesem Bergsommer teilweise erleben musste, macht mich nachdenklich. Bitte versteht mich nicht falsch, es handelt sich dabei um eine rein subjektive Betrachtung – aber als Mensch, der den Luxus genießen will, der sich in diesen Bergen bietet, machen mich einige Dinge schon sehr nachdenklich.

Da ist zum einen eines der leidigen Dauerthemen: Das Handy. Klar, ein Handy gehört auf jeder Bergtour dazu, am besten mit installierter Notfall-App und eingespeicherter Notfallrufnummer für einen Ernstfall. Das Handy dient als Fotoapparat und man teilt gerne seine Erlebnisse mit den Freunden auf Facebook und Co. Das alles ist vollkommen okay. Einen Tracker mitlaufen lassen, damit man seine Tour dokumentieren kann – absolut in Ordnung. Die „Freunde-finden-App“ aktiv, gerade wenn man alleine in den Bergen unterwegs ist, damit im Tal zurückgebliebene Angehörige und Freunde sehen, dass und wo man sich bewegt und alles in Ordnung ist – gut und richtig. Aber muss man, wenn man in den Bergen unterwegs ist, unbedingt Dauergespräche am Handy führen? 2 Stunden am Stück telefonieren, während man sich in den Bergen bewegt? Abgesehen davon, dass man dann nicht wirklich etwas von der traumhaften Landschaft mitbekommt, wo bleibt die Konzentration auf die Wegeverhältnisse? Und denkt man vielleicht auch mal daran, dass man andere Menschen, die mit unterwegs sind, mit seinen Dauergesprächen vielleicht belästigt oder nervt? Muss man am Berg immer erreichbar sein, muss man ständig telefonieren? Reicht das nicht vielleicht auch dann, wenn man wieder zurück ist? Kein Mensch ist so wichtig, dass er ständig erreichbar sein muss. Offline ist der neue Luxus …!

Müssen Kinder ungesichert an Absturzkanten herumspringen? Müssen ältere Menschen mit nicht mehr vorhandener Trittsicherheit schwierige Pfade in den Bergen gehen? Klar, die Berge sind für alle da und jeder darf sich dort frei bewegen, aber man sollte die eigenen Grenzen kennen. Es muss nicht immer die große Bergtour sein, man kann einen schönen Tag auch auf halber Höhe oder in den Seitentälern erleben. Deshalb: Kinder gehören auf dem Berg an die Hand eines Erwachsenen, Hunde an die Leine und Menschen, die nicht mehr fit sind, sollten ihre eigenen Grenzen kennen und diese auch akzeptieren. In diesem Sommer hat es in den österreichischen Alpen schon viele auch schwere Unfälle gegeben. Alpin.de schreibt in einem Artikel am 03.09.2019 von mehr als 120 Menschen, die in diesem Sommer in den Bergen ihr Leben verloren haben, das sind definitiv mehr als 120 zu viel. Nimmt die Zahl der Bergunfälle tatsächlich zu oder ist das nur ein subjektiver Eindruck? Schaut man sich die Einsatzmeldungen der Bergrettungen des Tales an, scheint der Eindruck nicht nur subjektiv zu sein. Akzeptieren wir unsere Grenzen und halten uns an ein paar einfache Regeln, damit ein Tag in den Bergen auch ein schöner Tag wird und man wieder gut unten ankommt. Auch Sicherheit ist schließlich Luxus …!

Muss man sich aufregen, wenn mal ein Bus ein paar Minuten zu spät kommt oder er einfach durchfährt, weil in ihm sprichwörtlich „kein Apfel mehr zur Erde“ geht? Was soll’s, der nächste Bus kommt bestimmt. Oder man läuft eben einfach, das Tal ist nicht so groß, dass man nicht das Meiste auch zu Fuß erreichen könnte. Denkt doch einfach mal daran, dass ihr im Urlaub seid – und Urlaub bedeutet Zeit. Und Zeit zu haben, das ist ein LUXUS, der mit keinem Geld der Welt zu bezahlen ist. Man muss sie sich nur nehmen, die Zeit, wann dann, wenn nicht im Urlaub?

Nun genießen wir aber in vollen Zügen den wunderbaren Wanderherbst. Trauern wir nicht dem Sommer nach. Freuen wir uns über den Herbst. Freuen wir uns über die bunten Farben, die klare Luft, angenehme Temperaturen, die wabernden Nebelfetzen, über die Ruhe. Freuen wir uns auch mal über Regen, die Natur wird es dankbar annehmen. Und dann freuen wir uns auf den ersten Schnee. Wenn die Bergspitzen das erste Mal wieder angezuckert sind, klopft der Winter an und es dauert bestimmt nicht mehr lang, bis die Skier und Schneeschuhe wieder aus dem Keller geholt werden können. Irgendwann wieder über glitzernde Schneekristalle gehen zu können, strahlendes Weiß unter blauem Himmel zu genießen oder dem Tanz der dicken fetten Schneeflocken zuzuschauen, das ist der Luxus, den wir erwarten können und auf den sich alle Winterfans sicher schon freuen.

Genießen wir die Natur, in der wir nur zu Gast sein dürfen – das ist unser unbezahlbarer Luxus.

Die Saison geht noch bis Anfang November. Über die Schließzeiten der Bergbahnen zur Revision werden wir euch informieren.