Wenn es dunkel bleibt im Tal
Was sich hinter dem Black Weekend verbarg
Es ist Freitag, der 11. Oktober. Am Abend ist mir nach einem Spaziergang durch’s Dorf. Aber irgendwas ist anders an diesem Abend. Der bunte Laden dunkel, die Apotheke auch. Das sonst mit den Trachten so schön dekorierte Schaufenster von Raich Gwand: auch dunkel. Bei Sport und Mode Kessler oder dem Friseur das gleiche Bild. Auch aus den Fenstern der regionalen Nahversorger dringt kein Lichtstrahl auf die Straße. Selbst die Banken sind dunkel. Zappenduster kommt die Riezler „Einkaufsmeile“ daher. Was ist denn heute hier los? Richtig unheimlich wirkt das alles. In den Schaufenstern der meisten Geschäfte brennt kein Licht. Statt dessen sind die Fenster mit schwarzem Papier verklebt und auf Plakaten ist zu lesen:
„Erst wenn der letzte Laden verschwunden und das Dorf verwaist ist, werdet ihr feststellen, dass online shoppen allein doch nicht so toll ist. Kauft lokal.“
Es ist „Black weekend“ – von Donnerstag bis Sonntag möchten die Einzelhändler mit einer Aktion darauf aufmerksam machen, was passiert, wenn keiner mehr lokal einkauft.
Wir haben uns von Wolfgang Raich erzählen lassen, was hinter dieser Aktion steckte, die vom Black-Weekend-Team des HGV organisiert wurde. Die Abkürzung HGV steht für Handel- und Gewerbeverein. Seit Mai 1987 gibt es diesen schon und er hat den Zweck, durch gemeinsame Aktionen das Interesse von Handel und Gewerbe im Kleinwalsertal zu fördern und für seine Mitglieder auch unterstützend da zu sein.
„Kauft lokal“ – das ist die Hauptaussage hinter der Aktion. Das wesentliche Ziel ist, sowohl die Bevölkerung als auch die Gäste darauf aufmerksam zu machen, was Handel und Gewerbe im Tal zu leisten vermögen. „Wir können eine ganze Menge,“ so ist die Kernaussage von Wolfgang, der ein exklusives Trachtengeschäft in Riezlern betreibt. „Und wir wollen keinesfalls den Onlinehandel verteufeln oder gar aufhalten, sondern nur auf unser Angebot hinweisen und aufzeigen, was passieren würde, wenn keiner mehr lokal kauft und die Geschäfte wegen fehlender Kundschaft schließen müssten.“ Und so finden sich an diesem Wochenende Anfang Oktober keinerlei Warenaufsteller oder Werbung vor den Geschäften und die Schaufenster bleiben für ganze 4 Tage mit schwarzem Papier verhängt, obwohl alle Läden regulär geöffnet haben.
Insgesamt mehr als 30 Geschäfte haben sich dieser Aktion angeschlossen, manche aus reiner Solidarität zu den Kollegen. Wie oft ist es denn einfach so, dass man sich einen Artikel zwar im Laden anschaut, sich beraten lässt, wie die Waschmaschine oder das Top-TV-Modell funktionieren, nur um dann zu Hause den heimischen Rechner hochzufahren und das gleiche Modell, was man sich eben noch angeschaut hat, online für wenige Euro billiger zu bestellen. „Amazon hat einfach alles – und da kriege ich alles nach Hause gebracht und brauche nicht mal vor die Tür.“ Bequemlichkeit lässt grüßen.
In Zeiten, wo nur noch 3 % der Bevölkerung im stationären Einzelhandel einkauft, hebt Wolfgang Raich eben genau deren Vorteile hervor. „Das Wichtigste, was wir leisten können, sind die persönliche Beratung und Ansprache und ein hervorragender Service.“ All das kann der Onlinehandel nicht.
Ich erlebe das selbst: Wer den Raich’schen Laden betritt, wird mit einem freundlichen Wort und auch mit Handschlag begrüßt. Guten Tag, Bitte und Danke, vielleicht ein Plausch über das werte Befinden, das Wetter oder gerade Erlebtes – es sind die vielen Kleinigkeiten, die das Einkaufen zum Erlebnis und zu etwas ganz Persönlichem machen. Ich interessiere mich für ein Accessoire aus der neuen Kleinwalsertal-Kollektion und erhalte Hintergrundinformationen zu Herkunft und Qualität der Wolle und zum Ort der Verarbeitung. Hier ist es die persönliche und charmante Beratung.
In diesem Winter ist eine neue Skiausrüstung fällig? Sicher bekomme ich die im Internet preiswerter. Vor Ort beim Fachhändler des Vertrauens mag es ein wenig teurer sein. Aber meine Schuhe sitzen dafür wie angegossen und drücken nicht, die Ausrüstung ist auf mich zugeschnitten und das Allerwichtigste: Ich habe den Service mitgekauft, denn von nun an habe ich immer einen Ansprechpartner, wenn es darum geht, die Ausrüstung zu warten, denn nach dem Winter ist vor dem nächsten Winter.
Wer billig kauft, kauft meistens doppelt ….
Fakt ist, dass die Aktion des „Schwarzen Wochenendes“ sehr gut angekommen ist. Die Reaktionen auf den Social-Media-Kanälen waren durchweg positiv. Nach 4 Tagen sind alle Schaufenster wieder beschaubar und nur eine Woche später zeigen Handel und Gewerbe auf der Kleinwalsertaler Wirtschaftsmesse, was sie alles zu leisten vermag. Da darf man dann staunen, was die Walser alles haben – und sie haben wirklich viel. Das wenige, was es nicht gibt, dafür kann man ja dann den Onlinehandel nutzen oder bei den Nachbarn jenseits der Walserschanz einkaufen.
Alles, was man zum Leben braucht im Tal, das bekommt man auch – also warum nicht auch dort sein Geld lassen und den regionalen Einzelhandel unterstützen? Es geht nicht darum, den Onlinehandel zu verdrängen, aber ihm die Stirn zu bieten, aufzuzeigen, was passiert, wenn der stationäre Handel vor Ort leidet, wenn er wegen ausbleibender Kundschaft irgendwann aufgeben muss. Ohne Geschäfte verändert sich das Ortsbild, leer und trostlos schaut das aus. Deshalb: bleibt im Tal und kauft lokal.
Vielen Dank an Wolfgang Raich von Raich Gwand in Riezlern für das sehr interessante und nette Gespräch und für die Zeit, die Du Dir für uns genommen hast. Wir haben einen Unternehmer kennengelernt, der seinen Laden liebt und für ihn lebt und dem Freundlichkeit, Beratung, das persönlich gesprochene Wort und ein Händedruck noch etwas bedeuten.