Das besondere Tagerwachen
Ein Donnerstag Anfang September.
04:00 Uhr: Mein Wecker klingelt. Welches Pferd hat mich eigentlich geritten, an einem Urlaubstag dieses Weckerbiest genauso zeitig klingeln zu lassen, als ob ich ins Büro müsste? Aber es treibt mich aus dem Bett, der erste Weg geht auf den Balkon und der Blick gen Himmel. Über mir liegt friedlich die sternenklare Nacht. Prima, freue ich mich, das sieht gut aus.
Doch warum diese Freude? Nur wegen des klaren Sternenhimmels? Nein – ich habe heute etwas ganz Besonderes vor: eine Fahrt zum Sonnenaufgang auf das Walmendingerhorn. Schon vor Monaten habe ich diesen Termin gebucht – ohne Garantie auf Erfolg. In den letzten 3 Jahren ist die Sonnenaufgangsfahrt zum für mich möglichen und immer wieder gebuchten Termin jedes Mal buchstäblich ins Wasser gefallen. Doch diesmal, diesmal würde es klappen – und das veranlasst mich, an einem Urlaubstag morgens um 4 Uhr mit Vergnügen „senile Bettflucht“ zu betreiben.
Während die Zaubermaschine für Heißgetränke mir gurgelnd einen frischen Kaffee brüht, mache ich mich fertig. Den Wachmacherkaffee gibt es auf dem Balkon – wieder mit Blick in den Himmel … immer noch sternenklar.
05:00 Uhr: Habe ich an alles gedacht? Reservierungsmail eingepackt, Handy geladen, Fotoapparat mit vollem Akku im Rucksack – jetzt nur noch eine warme Jacke an, die Bergschuhe an die Füße und los geht’s, während das Tal noch friedlich schläft.
05:20 Uhr: Als erstes Auto fahre ich auf den Parkplatz der Walmendingerhornbahn. Alles noch dunkel, alles noch ruhig. Ich bin viel zu früh dran. Doch es dauert kaum 10 Minuten, bis die Nächsten ankommen, denen es wert war, im Urlaub so zeitig aufzustehen. Auch das Bergbahnpersonal trudelt ein und startet mit dem Kartenverkauf.
06:00 Uhr: Mit der ersten Gondel des Tages (als Sonderfahrt) geht es hinauf. Schon jetzt nimmt mich die besondere Stimmung gefangen. Nahezu lautlos schwebt die Bahn durch die sich verabschiedende Nacht. Am Horizont leuchtet bereits ein erster dunkelroter Streifen und kündigt etwas ganz Besonderes an.

Am Berg angekommen, strebt alles, was 2 (und auch 4) Beine hat, im Halbdunkel zügig dem Gipfel entgegen. Die Morgendämmerung greift nach dem Tag, frischer Tau liegt auf den Bergwiesen. Die Plätze mit der besten Sicht sind heiß begehrt. Leider sind inzwischen doch Wolken aufgezogen. Wird gelingen, auf was man sich schon so lange gefreut hat? Zweifel kommt auf.
06:15 Uhr: Ich beziehe einen Platz am Gipfelkreuz, der mir eine uneingeschränkte Sicht auf das zu erwartende Spektakel bietet. Langsam, aber sicher verabschiedet sich die Nacht und ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke bis zum Kragen zu, denn es ist frisch an diesem Morgen.
06:30 Uhr: Etwa 80 Personen sind inzwischen mit mir auf dem Berg, denn die Plätze sind limitiert. Zwischen vereinzelten dunklen Wolken ist die Sicht auf den Himmel frei und es eröffnet sich eine einzigartige Szenerie, die ergriffen und sprachlos macht. Während die Berge des Allgäuer Alpenkamms noch immer nur silhouettenhaft zu sehen sind, beginnt die Sonne mit ihrem morgendlichen Schauspiel. In einem schmalen Streifen leuchtet es von golden über orange bis tiefrot. Der Himmel brennt, der Himmel glänzt. In 12 Minuten geht die Sonne auf (sagt der Wetterfrosch 🙂 ).

06:42 Uhr: Plötzlich geht es ganz schnell. Hinter den Bergen, in einem schmalen Streifen zwischen den Wolken, steigt glutrot der gleißende Feuerball empor. Gespannte Stille liegt über dem Berg, dieses Naturschauspiel lässt seine Betrachter atemlos staunen. Das Einzige, was in diesem Moment noch zu hören ist, ist das Klicken beim Schießen der Fotos.
06:55 Uhr: So langsam verziehen sich die Wolken. Die Farbe des Himmels verändert sich. Blau und rotgold prägt nun die Szenerie, die jeden Naturfreund einnimmt. So wie man am Abend eine goldene Stunde mit dem letzten Licht des Tages erleben kann, dürfen wir hier nun eine goldene Stunde mit dem ersten Licht des Tages erleben. Mich jedenfalls lassen die Stimmung und das Licht mit einer Gänsehaut zurück, aber nicht, weil mir kalt wäre. Ich bin – ich gebe es zu – ergriffen …
07:00 Uhr: Während ich noch die Bilder dieses besonderen Morgens in mich aufnehme, dringt Musik zu mir herauf. „Das ist aber nett,“ denke ich für mich, „macht die Bergbahn angenehme Entspannungsmusik zum Ereignis“. Aber weit gefehlt. Neugierig komme ich mit jeder Kurve bergab der Bergstation wieder näher und erkenne nach und nach den Ursprung der Musik. Mit Blick auf den Sonnenaufgang findet an der Bergstation eine Bergmesse statt. Hier ist jeder willkommen.

07:30 Uhr: Den Abschluss dieses Morgens bildet, was an keinem Morgen fehlen darf. Was gehört zu einem perfekten Start in den Tag? Richtig – ein gutes Frühstück. Genau dieses Frühstück gehört zum Sonnenaufgang am Berg dazu. Egal, ob beim großen Frühstücksbuffett oder beim kleinen Frühstück mit Butterbrezel und Kaffee, das eben Erlebte hallt auch hier noch nach und der Kaffee schmeckt gleich nochmal so gut.
08:30 Uhr: Nach diesem Erlebnis bleibe ich voller wundervoller Eindrücke zurück. Es war ein ganz besonderer Frühstart und das Aufstehen zu nachtschlafener Zeit hat sich mehr wie gelohnt. Nun bleibt nur noch eine Entscheidung zu freffen: Fahre ich mit der nächsten regulären Gondel wieder nach unten oder begebe ich mich direkt noch auf Bergtour? Aber das ist wieder eine andere Geschichte …

Info-Kasten:
- Für die Sonnenaufgangsfahrt gibt es etwa 5 – 6 Termine zwischen Juli und September. Infos dazu gibt es hier: https://www.ok-bergbahnen.com/genuss-sinne/veranstaltungen/sonnenaufgangsfahrten/
- Die Sonnenaufgangsfahrt muss online bei den Bergbahnen reserviert werden. Die Plätze sind begrenzt und werden namentlich registriert.
- Am Abend vor dem gebuchten Termin muss man sich auf der Homepage der Bergbahn informieren, ob die Veranstaltung am nächsten Morgen stattfindet.
- Bezahlt wird erst am Morgen vor der Auffahrt, wenn die Veranstaltung sicher stattfindet. Ansonsten verfällt die Reservierung.
- Bergbahn unlimited, Gipfel(s)pass, GUT-Ticket oder ähnliche Angebote sind hier leider nicht gültig.
- Eine Buchung ist nur möglich als Berg- und Talfahrt in Kombination mit einem Frühstück, entweder großes Frühstücksbuffett oder nur Butterbrezel und Kaffee. Je nachdem variiert der Preis.
- Die erste Abfahrt mit der Gondel findet noch vor Beginn der regulären Betriebszeit statt. Bis dahin ist das Parken kostenlos. Nur wenn man nach 08:30 Uhr noch parken will, muss man ein Tagesticket für derzeit 5 Euro lösen, dieses ist bei den freundlichen Mitarbeiterinnen an der Kasse der Bahn erhältlich.

Ich wünsche Euch unvergessliche Erlebnisse beim Sonnenaufgang auf dem Berg. Das frühe Aufstehen wird auf jeden Fall belohnt. Sichert Euch Euren Platz bitte rechtzeitig.