Am Morgen begrüßt mich mein Kleinwalsertaler Lieblingspanorama etwas wolkenverhangen, nach dem Frühstück aber reißt der Himmel auf und die Sonne zeigt sich mit angenehmen Temperaturen. Ich packe die Gelegenheit beim Schopfe, nehme das freundliche Wetter beim Wort und entscheide mich für eine gemütliche Einsteigertour für jedermann – zum Einlaufen. Der Ifen-Bus (Linie 5) bringt mich ein Stück weit – ich starte an der Fuchsfarm.
Der Schöntalweg als Einstieg in die heutige leichte Tageswanderung führt mich zunächst in die Höhe – schließlich will ich heute den oberen Höhenweg erkunden. Ich komme gar nicht richtig vorwärts, werde immer wieder von den traumhaften Tiefblicken auf die Ortschaften und das Panorama ringsum gebremst und komme mit dem Filmen und Fotografieren gar nicht nach – aber eben auch nicht vorwärts. Irgendwann gelingt mir das dann aber doch.
Es geht an den Bergstationen von Parsenn- und Heubergbahn vorbei, ich versuche, mir vorzustellen, was hier im Winter so alles los ist, denn die jetzt sattgrünen Wiesen bilden im Winter eines der familienfreundlichen Talskigebiete. Die Vorstellung ist nicht leicht, ich schwitze in der Sonne bei Traumwetter und versuche, an den Winter zu denken. Nein, diese Gedanken schüttle ich dann doch lieber wieder ab – das werde ich zu gegebener Zeit selbst sehen – und genieße lieber den traumhaften Sommertag. Der obere Höhenweg führt als gemütlicher Spazierweg – wie der Name schon sagt – oberhalb der Orte Riezlern, Mittelberg und Hirschegg entlang. Immer wieder muss ich stehen bleiben, das Panorama in mich aufnehmen und versuche, das eine oder andere markante Gebäude im Tal zu identifizieren.
Am Zaferna-Lift lädt die Sonna-Alp zu einer Einkehr ein, aber mein gutes Frühstück hält an, deshalb entscheide ich mich gegen einen „Hock“ auf der Sonna-Alp, obwohl es hier sehr gemütlich ist und der Name der Alp bei diesem Wetter geradezu Programm ist. Nein, ich entscheide mich zum Weitergehen. Dabei geht es gemütlich zu, wirklich anstrengend ist der Weg nicht, dafür umso interessanter. Unzählige Bänke (Boechle) sind aufgestellt, alle an Stellen, wo es sich unbedingt lohnt, sich ein wenig nieder zu setzen und den Blick, der sich bietet, ganz fest zu verinnerlichen. Nebenher fallen dem Wanderer auf dem Bergschau-Weg Zaferna einige Infotafeln auf. Interessante Informationen zum Thema Lawinenschutz werden hier an Interessierte weiter gegeben, man erfährt in verständlicher Weise, was im Kleinwalsertal alles getan wird, um das Tal und seine Bewohner vor Lawinen zu schützen, und wieder einmal denke ich bei strahlendem Sonnenschein und blühenden Blumenwiesen an den Winter und das Kleinwalsertal in weißer Pracht.
Immer wieder locken Einkehrmöglichkeiten: Da bietet Max‘ Hütte leckere Schmankerl an, als ich an der Bühlalpe vorbei laufe, duftet es verführerisch nach Kaiserschmarrn, und an der Stutzalpe werde ich dann doch noch schwach. Eine Käsebrotzeit muss es sein, endlich mal wieder einen echten guten Bergkäse essen – dazu ein selbstgemachter Joghurt mit frischen Früchten, dieser kulinarische Genuss ist einfach das Höchste, noch dazu mit diesem Traumpanorama, sitzen kann man hier ewig.
Während beim gemütlichen Hock auf der Stutzalpe Landschaft auf Lebensart trifft, denke ich über meinen Weiterweg nach. Welche der zahlreichen Abstiegs-möglichkeiten soll ich wählen?
Wer noch genug Kraft oder auch Lust hat oder diese bei der herzhaften Brotzeit tanken konnte und einen Aufstieg am Ende des Weges nicht scheut, wählt ab der Stutzalpe den Aufstieg zum Walmendingerhorn und kann dann die Bahn zur Abfahrt direkt nach Mittelberg nutzen. Dabei überquert man den Weg, den man vor einiger Zeit noch selbst gegangen ist, in luftiger Höhe und kann sich anschauen, wo man gerade noch unterwegs war. Eine weitere Variante ist der kurze Rückweg zur Bühlalpe und von dort entweder der direkte Abstieg nach Mittelberg oder über den Erlenboden nach Baad.
Ich entscheide mich für eine dritte Möglichkeit. Direkt neben der Stutzalpe, die übrigens auch Bike-Stützpunkt und somit auch ein Hotspot für die Mountainbiker ist, folge ich einem schmalen Weg – zunächst über Wiesen und im weiteren Verlauf durch einen romantisch verträumten schattigen Märchenwald. Auch dieser führt mich nach Baad und dort angekommen, fühle ich mich wieder wie – na klar – am Ende der Welt, in der schönsten Sackgasse der Welt. Am Talschluss in Baad enden alle Straßen, wer von hier weiter ins österreichische Mutterland hinein will, muss zunächst zurück nach Deutschland, um über Umwege auf die andere Seite der Bergkette zu gelangen. Der direkte Weg ist nur dem Wanderer möglich. Dies nennt man eine funktionale Enklave und ist eine politische Besonderheit des Kleinwalsertals. Ich nehme mir hier ausgiebig Zeit für einen Kaffee in angenehmer Atmosphäre, bevor ich mich entscheide, meinen Rückweg zu teilen, einen Teil mit dem kostenlosen Walserbus und den anderen zu Fuß zu absolvieren.
Der Bus, der hier im Schnitt alle 10 min fährt, bringt mich nach Hirschegg, von wo aus ich auf dem Burmiweg zurück nach Riezlern laufen möchte. In der Leidtobelkapelle muss ich etwas verweilen, Zeit zum Innehalten. Wussten Sie eigentlich, dass die Figur des Brückenheiligen Johannes von Nepomuk, der die Leidtobelbrücke bewacht, nur eine Kopie ist? Das Original kann im Walser Heimatmuseum in Riezlern besichtigt werden. Weiter geht es in den Zwerwald auf den mir schon bekannten Burmiweg, aber dieser Weg entlang der Breitach ist einfach immer wieder schön und als krönender Abschluss eines Leicht-Wandertages genau das Richtige. Heute beobachte ich amüsiert ein paar Kinder, die auf der Wackelbrücke und an den Kletterseilen ganz viel Spaß haben, am Flussufer der Breitach Steinweitwurf üben und sich im Steinmänndlebauen ausprobieren. Am Grillplatz duftet es herrlich nach frisch Gebratenem. Das sind Kleinwalsertaler Familienferien vom Feinsten, mit Spaß für die Kinder und Erholung für die Erwachsenen. Aktuell wird der Burmiweg um weitere Stationen bereichert, die noch mehr Spaß und Spiel garantieren. Bald schon hat mich Riezlern wieder und der Tag klingt sehr entspannt und gemütlich aus.
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