Von   4. Juni 2019

„Man ist nie zu alt für ein neues Hobby.“

Zu Besuch im Atelier von Bianca Schneider

11. April 2019: Beim Durchblättern der neuen Facebook-Einträge wecken 7 wunderschöne Fotos meine Aufmerksamkeit. Darunter steht der Eintrag: „Man ist nie zu alt für neue Hobbies ???. Es war ein ganz wunderbarer Malkurs und es hat so viel Spaß und Freude gemacht. ??? Ich biete Malkurse (Aquarell, Acryl, Kalligrafie) für Einzelpersonen, bei mir im Atelier oder bei euch daheim, an. Falls ihr Interesse habt, könnt ihr mir gerne eine Nachricht schreiben ???.“

Das Posting kommt von Bianca Schneider. Der Name sagt mir was. Bianca Schneider? Die auf ihren Fotos so sympathisch wirkende junge Frau, freischaffende Künstlerin im Kleinwalsertal? Die Frau, die die wunderhübschen Kuhbilder malt? Von deren Großvater das Walser Wappenbuch stammt, dessen letztes Exemplar ich mir im letzten Jahr erst in mein Bücherregal gestellt habe?

Ich brauche nicht lange zu überlegen. Am Abend setze ich mich an den Rechner und schreibe Bianca eine Mail, um mich für einen Malkurs anzumelden – das will ich probieren, denn auch ich fühle mich noch nicht zu alt für ein neues Hobby. Schreiben, fotografieren, filmen – das alles ist meine Passion. Warum also die Kreativschiene nicht auch um die Malerei erweitern?

Die 30-jährige hat ihr Handwerk in einer 4-jährigen Ausbildung an der Fachschule für Kunsthandwerk und Design, Fachzweig Vergolder und Schilderhersteller, in Elbigenalp in Tirol gelernt und diese mit ausgezeichnetem Abschluss absolviert. Dann war sie 1 Jahr als Restauratorin und Kirchenmalerin in Kempten tätig, bevor sie den für sie so aufregenden Schritt in die Selbständigkeit wagte. Im nächsten Jahr feiert sie ihr 10-jähriges Jubiläum als selbstständige freischaffende Künstlerin im Kleinwalsertal. Ihr Tätigkeitsfeld ist groß: Wand- und Illusionsmalerei, Restaurationsarbeiten, Schützenscheiben und Wappen, Vergoldungsarbeiten und Schriften – und last but not least ihre unglaublich schönen Tierportraits und die herzigen Kuhbilder von Greta, Mathilda und Co.

Greta, Mathilda und Co. kennen bestimmt viele von euch. Sie hängen im Uusziit bei Channy und Michi an den Wänden. Ihre Ausdrucksstärke und ihr Liebreiz bezaubern den Betrachter. Wann immer ein neuer Facebook-Post von Bianca kommt, hagelt es Bekundungen des Gefallens und nette Kommentare. Inzwischen gibt es ein Kuh-Memorie, T-Shirts und Taschen davon – das Merchandise läuft. Auch ich bin inzwischen stolze Besitzerin einer Kuh-Tasche und trage gerne mein T-Shirt mit Maska, dem stolzen Steinbock. Im Mai wurde das einjährige Kuh-Biläum gefeiert, mit tollen Aktionen in der Uusziit. Leider konnte ich da nicht persönlich dabei sein – doch ich muss Bianca, die so überaus sympathisch rüberkommt, unbedingt kennenlernen.

Als von Bianca endlich eine Antwort auf meine Voranfrage kommt, macht mein Herz einen Freudensprung. Ich darf zu einem Malkurs kommen – und ich darf darüber berichten. Vorbereitend haben wir ein paar Mal Kontakt via Mail und WhatsApp und mit jedem Mal wächst meine Vorfreude. Wie immer stürze ich mich in die Planung. Als von Bianca die Frage kommt, was ich in meinem Malkurs machen möchte, fällt die Entscheidung nicht schwer. Ein eigenes Wappenlogo für die Bergwelten soll es sein. Meine Skizze ist nicht besonders gut – oh je, das kann ja was werden…

Die Zeit bis zu unserem Termin zieht sich wie Kaugummi. Doch eines schönen Tages Anfang Juni ist es endlich soweit: Ich besuche Bianca in ihrem Atelier in Riezlern. Zugegeben, ich bin aufgeregt, aber auch voller Vorfreude auf das, was mich erwartet. Werde ich wenigstens etwas Talent mitbringen? Was wird Bianca mir beibringen? Werde ich am Ende des Tages ein vorzeigbares Ergebnis in den Händen halten? Fragen über Fragen …

Vor dem Haus steht Henry, ich muss schmunzeln, als ich ihn sehe. Nun ja, auch mein Auto ist Werbeträger und hat auch einen Namen. Aber es ist eben doch „nur“ ein Auto. Henry ist nicht einfach nur ein Auto. Innen ein wenig umgebaut (Hut ab, denn selbst ist die Frau – mir imponiert das unwahrscheinlich, im Umgang mit Stichsäge und derlei Geräten habe ich zwei linke Hände), ist Henry auch gleichzeitig Arbeits- und Schlafplatz, falls das nötig ist.

Ein Atelier voller Eindrücke

Im Atelier begrüßt mich nicht nur Bianca, sondern auch die beiden Hunde Paul und Nanuk, über die tierische Unterstützung freue ich mich sehr. Ein erster Rundumblick im Atelier selbst raubt mir den Atem und verrät: Biancas Leben ist bunt. Hunderte von Farben und Pinseln und allerlei Utensilien, überall Bilder, angefangene, fast fertige, Statuen zum Restaurieren und und und. Hier bin ich richtig …

Bevor wir loslegen, sind ein paar Entscheidungen fällig. Das Motiv ist klar. Eine – zugegebenermaßen nicht besonders gute – Skizze habe ich im Vorfeld bereits geschickt, außerdem trage ich das zu verwendende Motiv auch als Tattoo auf meinem Bein. Aber wie soll ich es umsetzen? Rund oder eckig, Aquarell oder Acryl, mit oder ohne Schrift – oder vielleicht noch ganz anders? Bianca zeigt mir die Möglichkeiten auf und ich merke sofort: Hier habe ich eine wirkliche Künstlerin an meiner Seite.

Mit „Malen nach Zahlen“ komme ich nicht weit. Kreativität und echte Handarbeit, das ist was zählt. „Das geht alles freestyle“, meint Bianca schmunzelnd, als wir anfangen. Die erste Entscheidung, vor die ich gestellt werde, ist der Untergrund. Ich entscheide mich für eine Leinwand auf Keilrahmen, auch die Größe ist schnell gefunden – für mich als Anfängerin soll es nicht zu groß sein. Als ich meine Wappenform auf ein Blatt Papier zeichnen soll, zittert mir bei den ersten Strichen die Hand. Nach ein paar kleinen Korrekturen habe ich es geschafft und mein Wappen liegt (zunächst mal noch ganz weiß und unschuldig) als Rohform vor mir. Die nächste Entscheidung, die ich treffen muss, ist die Gestaltung des Untergrundes. Schnell ist eine Variante gefunden, die uns allen gefällt und es geht mit Farbe und Naturschwamm daran, den Untergrund zu tupfen. Okay, bis hierhin war das nicht schwer.

Auf die Frage, wie Bianca zur Malerei gekommen ist, erzählt sie mir, dass sie schon als kleine Maika im Kindergarten die meiste Zeit in der Malecke verbracht hat. Stark geprägt wurde sie von ihrem Großvater, der als Chronist in Riezlern tätig war und von dem – wie bereits erwähnt – viele der heute im Tal existierenden Familienwappen stammen. Wenn zur Weihnachtszeit die Krampusse in den Kindergarten kamen und die kleine Bianca ermahnt wurde, sich nicht nur in der Malecke herumzutreiben, nahm sie sich das zu Herzen – aber nur kurz. Kleinere Ausflüge zu den anderen Spielsachen waren meist nur Ablenkungsmanöver, um kurz darauf wieder mit Stift, Pinsel und Papier in ihre eigene Welt abzutauchen. So wuchs sie in die Materie hinein und ihr Weg war im wahrsten Sinne des Wortes vorgezeichnet.

Seit gut 10 Jahren ist Bianca nun selbständig. Diesen Schritt hat sie nie bereut. Sie ist seither frei in ihren Entscheidungen, kann neben Auftragsarbeiten auch eigene Projekte umsetzen und ist natürlich auch unabhängiger in der Zeiteinteilung.

Darauf angesprochen, woher sie ihre Inspiration bezieht, erzählt sie mir von langen Bergtouren, besonders gern zu Sonnenaufgängen. Tagsüber genießt sie bei diesen Touren mit Paul und Nanuk die Natur und manchmal kommt sogar Katze Alisa – die sie liebevoll Lotti nennt – mit zum Wandern. Am Abend und nachts genießt sie dann die Ruhe im Atelier, wo sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen kann. Ich kann das gut verstehen, mir geht es ähnlich. Wann immer ich mir etwas zum Schreiben vornehme, inspiriert mich ein Spaziergang in der Walser Natur dermaßen, dass dabei mein Text fast immer in meinem Kopf schon entsteht.

Zurück zu unserem Malkurs: Als der Untergrund getrocknet ist, geht es an die Gestaltung des eigentlichen Wappens. Da wir uns für Acrylfarbe entschieden haben, ist es nicht schlimm, wenn ich mal ein wenig abrutsche oder ungenau bin, obwohl mir als unverbesserlichem Perfektionisten bei jedem Abrutscher ein unflätiges „Mist“ oder so herausrutscht. Aber Acryl verzeiht Fehler, damit kann man immer wieder auch Fehler verbessern, während beim Aquarell jeder Pinselstrich sitzen muss. Und dann wird es zum ersten Mal knifflig: Himmel von hell zu dunkel, Konturen des Berges, der ja mein Hauptmotiv ist, und dann muss ich mit Licht und Schatten arbeiten. Bianca mischt die Farben und erklärt mir jeden Schritt – Hand anlegen muss ich aber selbst. Noch immer zittert mir diese, aber mit jedem Pinselstrich werde ich sicherer. Mein Bild wächst und gedeiht, ich verleihe ihm Tiefe und Struktur. Zwischendurch müssen wir immer mal kleine Pausen einlegen, damit es trocknen kann, bevor es weitergeht.

Trocknungspause mit Panorama

Als das Edelweiß an der Reihe ist, wird es knifflig. Als Vorlage dient ein Foto auf dem Tablet. Konturen in weiß, vordere Blätter hell, hintere Blätter dunkel, ein wenig Grün und Gelb dürfen auch dabei sein, und dann wieder Licht und Schatten. So langsam steige ich dahinter, wie es funktioniert.

Mein Angst- und Zittergegner aber ist mein Spruchband. Ich habe eine furchtbare Handschrift – und trotzdem soll auch eine Schrift mein Wappen zieren. Bianca zeigt mir mehrere Varianten, ich bin feige und entscheide mich für etwas Einfaches. Wir üben ein paarmal auf Papier, bevor es ernst wird und alles erst einmal mit Bleistift auf die Leinwand übertragen wird. So wächst und gedeiht mein und unser Kleinwalsertaler-Bergwelten-Wappen. Zwischendurch schauen Nanuk und Paul immer mal bei uns vorbei und auch Lotti kommt für eine Stippvisite und zum Abholen einer Knuddeleinheit auf den Zeichentisch.

Als ich zum ersten Mal wieder auf die Uhr schaue, erschrecke ich. 3 bis 4 Stunden hatten wir im Vorfeld veranschlagt, jetzt sind mehr als 5 Stunden ins Land gegangen und Biancas Magen knurrt neben mir gut hörbar. „Das macht gar nichts“, sagt sie schmunzelnd, „das ist bei mir oft so, man macht und malt und merkt gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht.“ Doch schließlich ist es geschafft und ich betrachte stolz mein Werk, das ich unter Anleitung zwar, aber fast vollständig allein erstellt habe.

Bianca Schneider, die Künstlerin

Aus dem kleinen Malmädel Bianca ist eine Künstlerin geworden, die ihr Handwerk absolut versteht, die sich aber ihre Menschlichkeit und Herzlichkeit bewahrt hat. Künstlerallüren sucht man bei ihr vergebens. An der Tür zum Atelier fällt mir ein Schild auf, auf dem steht: „Phantasie ist gut gegen Realität.“ Da mit ihr und mir zwei zwar schon verschiedene, aber sehr kreative Köpfe aufeinander treffen, stimmt die Chemie zwischen uns sofort. Beim angeregten Plaudern verliere ich nach und nach meine Nervosität und es entsteht ein ganz besonderes Kunstwerk – mein erstes eigenes Bild, über das ich nun seit Wochen nachdenke – seitdem ich von unserem Termin weiß. Zum Schluss bin selbst ich – der unverbesserliche Perfektionist – rundum zufrieden mit dem, was ich geschafft habe. Und ein wenig Talent wird mir auch bescheinigt – das freut mich am allermeisten.

Das Endergebnis nach rund 5 Stunden.

Liebe Bianca! Ich danke Dir von Herzen für diesen tollen Tag, für die Erfahrung, die ich machen durfte und ich danke Dir von Herzen dafür, dass ich Dich kennenlernen durfte. Es hat unwahrscheinlich viel Spaß gemacht und ich denke, in der nächsten Zeit wird noch so das eine oder andere Bild aus dem Kleinwalsertal entstehen. Wenn ich mal nicht weiter weiß, weiß ich ja jetzt, wo und wen ich fragen kann. Denn: Man ist nie zu alt für ein neues Hobby und Phantasie ist gut gegen Realität.

http://www.schneiderbianca.de/

In der Galerie gibt es noch mehr Bilder: https://www.facebook.com/pg/kleinwalsertalerbergwelten/photos/?tab=album&album_id=2705138496181951